Der Staat, der sich im 20. Jahrhundert anschickte, die Gemeinschaftsaufgaben unserer Gesellschaft bis hin zur Fürsorge für die nächsten Angehörigen weitgehend in eigene Regie zu übernehmen, wird sich im 21. Jahrhundert von dieser gewiss idealen Zielsetzung wieder verabschieden müssen. Es fehlen nicht nur die finanziellen Mittel, um alle Wünsche und zunehmend auch alle Notwendigkeiten zu befriedigen, sondern vor allem lässt sich unser überaus kompliziertes Gemeinwesen mit seinen vielfältigen Bedürfnisstrukturen nicht mehr ausschließlich von zentralen öffentlichen Stellen aus verwalten und versorgen. Vielmehr wird dieses komplexe, unübersehbare und noch dazu grenzenlose Geflecht nur aufrecht zu erhalten sein, wenn jeder einzelne mitdenkt und mithilft und zwar nicht nur im eignen, sondern auch im allgemeinen Interesse. So wie eine zentrale Staatswirtschaft auch nicht in der Lage ist, die komplizierten modernen Märkte zu bedienen, sondern es der Mitwirkung vieler freier Unternehmer und Gewerbetreibender bedarf, so gilt dies auch für den immer wichtiger werdenden dritten Sektor der Gemeinnützigkeit, der sich als notwendiger Ergänzung zwischen die Blöcke der öffentlichen Verwaltung und der privaten Interessen schiebt. Ohne die Wahrnehmung von Ehrenämtern, ohne gemeinnützige Vereine und vor allem auch ohne Stiftungen wird unser soziales und kulturelles Zusammenleben nicht zu organisieren sein.
Stiftungen stellen finanzielle Mittel zur Verfügung für eine unüberschaubare Zahl gemeinnütziger Zwecke und zwar in der Regel schnell und unkonventionell, schneller jedenfalls als die öffentliche Gesetzesmaschinerie und die Verwaltung öffentlicher Haushalte dies bei bestem Willen leisten kann. Daneben aktivieren sie in aller Regel ein erhebliches Maß an ehrenamtlichem Engagement und eine positive idealistische Lebenseinstellung.
Stiften ist also notwendig, es ist aber auch lustvoll. Lustvoll natürlich auch für die Nutznießer stifterischer Wohltaten, das ist nahe liegend. Weniger dem Zeitgeist scheint allerdings die Erkenntnis zu entsprechen, dass auch Stiften selbst lustvoll ist. Was machen wir nicht alles, um „Spaß zu haben", um „Lust" zu verspüren. Wie viel Geld investieren wir, um mit teuerer Statussymbole und aufwendigen Konsums die scheinbare Achtung unserer Mitmenschen zu gewinnen! Die Werbung suggeriert gar, man könne sich auf diese Weise Liebe und Zuneigung verschaffen.
Ein Trugschluss in doppelter Hinsicht, das Geld ist verbraucht, die erhoffte Zuneigung bleibt aus. Wie viel lustvoller ist im Vergleich die Erlebniswelt des Stifters. Wie viel menschliche Anerkennung und gewiss auch Liebe kann er sehr unmittelbar erfahren und dies nicht nur zu Lebzeiten, sondern als einzige Möglichkeit sogar über den Tod hinaus.
Das Plädoyer für Stiftungen heißt beileibe nicht, den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen. Seine organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten werden sich niemals durch private Initiativen ersetzen lassen, er wird sich im Gegenteil um ständige Verbesserungen auch weiterhin bemühen müssen. Der dritte Sektor der Gemeinnützigkeit bildet allerdings die unverzichtbare Ergänzung, die Feinarbeit in einem hochkomplexen Leistungssystem.
Wenn es um Stiftungen geht, wird immer wieder auf das zumindest in dieser Beziehung gelobte Land der Vereinigten Staaten verwiesen, in dem es tatsächlich eine ausgeprägte „Stiftungskultur" gibt. Unsere heute in Deutschland vielfach narzisstisch geprägten gesellschaftlichen Strömungen sind dagegen eher unerfreulich und sollten einem moderneren, zukunftsfähigerem, dem Gemeinsinn verbundenen Zeitgeist weichen. Erste Anzeichen für ein Umdenken sind durchaus feststellbar.
Einer bislang noch unzulänglichen „Stiftungskultur" steht allerdings korrespondierend ein Defizit an „Dankeskultur" gegenüber. Geben und Nehmen sind gleichermaßen erfreuliche Aspekte desselben Vorganges. Wo es aber an einer Kultur des Nehmens fehlt, fehlt es auch an einer Kultur des Gebens und umgekehrt. Auf verschämtes, oft unbeholfenes Nehmen wird mit verschämtem Geben reagiert. Dankbarkeit von Seiten der Öffentlichkeit wie von Seiten der Begünstigten wird viel zu wenig gezeigt und stimuliert eben darum viel zu selten zu neuen Anstrengungen. Uns Deutschen ist nicht das Gefühl der Dankbarkeit abhanden gekommen, aber wir haben es ein wenig verlernt, Dankbarkeit auch zu zeigen, oft wird es als überflüssige Förmelei abgetan. „Dankeskultur" ist aber der beste Nährboden für „Stiftungskultur". Richtiges Nehmen fördert richtiges Geben! Auch diesbezüglich sollte sich jeder bemühen, der beispielsweise auf Vermittlung dieser Darstellung seinen Stifter, seine Hilfe erfahren hat, er dient damit nicht nur sich selbst, sondern allen.