Wiederholt ist die Fülle der Beiträge
gewohnt vielseitig. Sie setzt ein mit den Römern und ihren Spuren im Kreis, so
auch im unweit von Unkel entfernten, an der Rheinschiene nördlichsten Ort des
Kreises, in Rheinbreitbach. Dass der letzte Spross des Hauses Isenburg nach
dreijähriger Verbannung vor 360 Jahren wieder an den Hof der Spanischen
Niederlande zurückkehren durfte, bereichert dessen ereignisreiche Vita. Wie zäh
das Ringen Leutesdorfer Pfarrer um den Zehnten im letzten Jahrhundert des
„ancien regime“ war, zeigt uns, dass das Gefüge insgesamt abgängig war.
Fliegende Brücken über den Rhein sind bereits aus Cäsars Tagen bekannt, wurden
dann aber erst wieder im Zuge der Rheinquerungen französischer
Revolutionstruppen 1.850 Jahre später Realität, v.a. jedoch im
„(welt)kriegerischen“ 20. Jahrhundert, das kaiserliche Manöver am Rhein
ankündigten. Zur Zeit des 30jährigen Krieges hatte Irlich einen tapferen Schultheis, der gegenüber der
protestantischen Landesherrschaft den alten Glauben im Ort verteidigte. Ihm
widmete man ein Wegekreuz. Wiederholt sind es die zahlreichen Höfe der
Zisterzienserabtei Marienstatt, deren Geschichte die Wirtschaftskraft dieses
bedeutenden Westerwälder Klosters offenbaren, dieses Mal im Puderbacher Beritt.
Wassermühlen waren hierzulande seinerzeit zur Veredelung des
Grundnahrungsmittels Brot unentbehrlich; im vorliegenden Band sind es die
Hombachsmühle im früheren Amt Altenwied und die Gersthahner Mühle unweit
Waldbreitbach. Der seit der Reformation per Zuzug um die Kirche allmählich
wachsende Ort Oberhonnefeld erfährt tiefgreifende, einer Sozialtopografie
gleichkommende (familien-)historische Erkundung, lohnend für Familienforscher.
Der Bergsturz am Unkelstein vor 170 Jahren macht uns deutlich, dass damals wie
gegenwärtig Starkregen zu lebensbedrohlichen Katastrophen führen konnte. Die
Amtsstruktur der heutigen Verbandsgemeinde Asbach spannt wieder den Bogen zum
Kreisjubiläum. Ebenso sind es bekannte Neuwieder Köpfe, die auf dem ehrwürdigen
Alten Friedhof ruhen und Neuwieds wirtschaftliche und politische oder
schulische Entwicklung maßgeblich beeinflusst haben. Zu nennen sind der Kunst-
und Handelsgärtner Petsch, der erste preußische Bürgermeister Neuwieds
Buchholtz und der erste Direktor des Lyzeums Nohl mit seinen pädagogischen
Schriften. Der viel zu früh verstorbene Linzer Künstler Niederée verdient
besondere Würdigung, auch die bereits erwähnte Stiftung heute noch zu
bewundernder Kirchenfenster der bedeutenden Kölner Familie Seydlitz-Merkens,
die – wie andere auch – in Unkel Sommerfrische und Lebensabend verbrachten.
Eine andere Stiftung galt den Armen des Kirchspiels Maischeid seitens eines
wohlhabenden Kausener Bannmüllers. Die Neuwieder Orgelfabrik Weil stattete im
19. Jh. auch die Heddesdorfer Kirche mit einer Orgel aus; ihr gilt eine diese
technische Meisterleistung würdigende Ausarbeitung. Dass der Rasselstein als
Wiege der hiesigen Schwerindustrie bereits im frühen 19. Jh. bedeutend war,
macht uns heute bei Niederlegung des Standorts traurig, verdient aber besondere
Erwähnung, genossen doch die „Rasselsteiner“ innerhalb des sozialen Gefüges
eine hohe berufliche Wertschätzung.
Die Eisenbahn und bei ihr in Dienst Stehende
stellten in Engers das Pendant eines solchen Status´ dar, dort einst
stationierte Lokomotivbaureihen interessieren den Technikhistoriker. Allgemein
bekannt ist die Tatsache, dass die jüdischen Mitbürger einst wirtschaftlich
besonders agil waren, so auch die Familie Geisel aus Rengsdorf, dort angesehen
und beliebt, bis der braune Mob sie entwurzelte und Teile der Familie
auslöschte. Wie perfide dieses schwärzeste Kapitel deutscher Geschichte war und
uns heute noch Schauer einflößt, verdeutlicht
die Vermeldung, dass der Kreis Neuwied vor 75 Jahren „judenfrei“ sei.
Selbsterlebte Begebenheiten führen uns ans Ende des Zweiten Weltkrieges nach
Engers oder in eine Irlicher Namenstagsfeier. Immer wieder eindrucksvoll und
beängstigend sind Fotos, die uns vor Augen führen, welche Not Neuwied die Hochwasser vor dem Deichbau
brachten. Aktuelle denkmalpflegerische Highlights werden in zwei anschaulichen
Berichten zu Burg Altwied und Kloster Rommersdorf vorgestellt.
Dass Wallfahren im Kreis Neuwied lange
Tradition hat, hier Wallfahrtsziele liegen und aus hiesigen Orten nach weiter
weg gelegenen Zielen gepilgert wurde, beschreibt ein weiterer Beitrag. Der
Weinbau prägte die Landschaft und das ökologische Gefüge von Linz
jahrhundertelang, mit dem 20. Jh. brach er allmählich weg. Dem Botaniker Max zu
Wied und seinem Herbarium lateinamerikanischer Gewächse ist ein
interessanter Aufsatz gewidmet, ebenso
der Lebensader Holzbach in der „Dierdorfer Senke“ oder dem Fockenbachtal als
schönstem Seitental der Wied. Mit diversen Jubiläen werden jahrzehntelang
agierende Institutionen gewürdigt, so der 55 Jahre alte Naturpark
Rhein-Westerwald, das vor 60 Jahren festgelegte KFZ-Kennzeichen NR, der 50.
Seniorentag in Bruchhausen oder das 40jährige der Galerie Dierdorfer Uhrturm.
Ebenfalls 50 Jahr ist es her, dass Kurt Kiesinger der Deichstadt Neuwied einen
Besuch abstattete. Erst fünf Jahre alt, aber stark nachgefragt und besucht ist
das Willi-Brandt-Forum in Unkel, das ein kleiner Exkurs beschreibt. Mit den
Rezensionen aktueller heimatkundlicher Literatur im Kreis endet das neue
Kompendium.
Ein großes Dankeschön gilt
nicht zuletzt auch den Mitgliedern des Redaktionsausschusses, stellvertretend
und allen voran Dr. Reinhard Lahr für die Federführung in Lektorat und Bebilderung
des Jahrbuches.