„Wenn der Bund und die Landesregierung immer mehr
Aufgaben auf die Kommunen übertragen und den Kanon vorhandener Verpflichtungen
ausweiten, stehen sie auch in der Verantwortung, für eine ausreichende Finanzierung
zu sorgen. Selbst wenn unsere Kreisumlage trotz der aktuellen wirtschaftlichen
Situation im Jahr 2025 erneut steigen dürfte, reicht das alleine nicht aus, um
die Kostensteigerungen auszugleichen. Bund und Land müssen dringend handeln!“
Mit seiner Mahnung erhält Landrat Achim Hallerbach Rückendeckung vom Landkreistag Rheinland-Pfalz. Dieser hatte jüngst in einem Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im rheinland-pfälzischen Landtag ebenfalls die dramatische Finanzlage der Kreise verdeutlicht. Nach den aktuell vorliegenden Prognosen gehen die Kreise davon aus, im Jahr 2025 und im Hinblick auf den Ergebnishaushalt mit rund 400 Millionen Euro im Minus zu liegen. Aus diesem Grund dürfte die Verschuldung mit Liquiditätskrediten nach den aktuellen Haushaltsplanungen um mehr als 330 Millionen Euro aufwachsen. Der Landkreistag sieht Grund zu der Annahme, dass in der Folge auch das Entschuldungsprogramm PEK-RP des Landes, das bis dato im Landkreis Neuwied gut funktioniert hat, zu verpuffen droht, da die Schulden übernommen wurden.
Diese, seit 2020 wirksame, Maßnahme nimmt den Kreisen rund 500 Millionen Euro bereits bestehender und aus der Vergangenheit stammender, Liquiditätskredite (vergleichbar den Dispokrediten im privaten Bereich) ab. Der Landkreistag rechnet damit, dass die Liquiditätskredite bei ungebremster Entwicklung der Kreise wahrscheinlich schon in diesem Jahr, spätestens aber in 2026, wieder weit über diesen Betrag angewachsen sein werden. Das Programm hätte damit spätestens zu diesem Zeitpunkt seinen Zweck, nämlich die kommunale Handlungs- und Leistungsfähigkeit zu stärken, komplett verfehlt.
Die Kostenexplosionen bei den Kommunen beziehen sich im Landkreis Neuwied in einem hohen Maß auf die verpflichtenden Leistungen, die das Sozialamt zu erbringen hat.
So wurde bei der Eingliederungshilfe das ausgegebene Ziel der Kostenneutralität auf ganzer Linie verfehlt. „Fallsteigerungen, aber auch Erhöhungen der Betreuungs- und damit Kostenintensität verursachen regelmäßig Mehraufwendungen, was auch in Zukunft weiterhin der Fall sein wird. Vom Nachtragshaushalt 2024 zum Haushalt 2025 wächst der Zuschussbedarf um rund 3,9 Millionen Euro auf dann insgesamt 41,3 Millionen Euro an“, erläutert Kämmerer Florian Hoffstadt, der weitere Kostensteigerungen in den Hilfen für Asylbewerber benennt.
Beliefen sich die Aufwendungen vor Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine im Jahr 2020 noch auf eine Summe von 5,5 Millionen Euro, ist im laufenden Jahr ein Anstieg auf rund 12,5 Millionen Euro zu verzeichnen. Einem Zuschussbedarf von deutlich unter 2 Millionen Euro im Jahr 2020, steht eine Steigerung auf über 6 Millionen Euro im Jahr 2025 gegenüber. Zugleich ist die Finanzierung von Sonderzahlungen des Landes und des Bundes abhängig. „Für diese neue kommunale Daueraufgabe muss endlich auch eine dauerhafte Finanzierung her“, fordert Landrat Achim Hallerbach. In Summe wächst der Zuschussbedarf im Sozialetat in 2025 um sage und schreibe 11,2 Millionen Euro auf dann insgesamt 62,1 Millionen Euro an. Das entspricht einer Steigerung vom Nachtrag 2024 zum Haushaltsplan 2025 von knapp 22 Prozent.
Die Aufwendungen für die Hilfen der Teilhaushalte Jugend und Familie sowie Sozialhilfe zusammen machen mit rund 48,9 Prozent mittlerweile fast die Hälfte der Gesamtaufwendungen des Ergebnishaushaltes aus. Unter Einbeziehung der Kostenerstattung des Landkreises für das Stadtjugendamt Neuwied sowie den Personalkostenzuschüssen an die Träger der Kindergärten, erhöht sich dieser Wert auf 70,7 Prozent. Anders ausgedrückt: der Großteil des Kreishaushalts ist durch Sozialausgaben gebunden.
Große Ausgabensteigerungen sind auch im Bereich
Öffentlicher Personennahverkehr ÖPNV und Schülerbeförderung zu verzeichnen. Lag
der Zuschussbedarf für ÖPNV und Schülerverkehr im Jahr 2017 noch bei 1,4 Millionen
Euro, ist für 2025 ein Zuschussbedarf von 17,2 Millionen Euro ausgewiesen. Gegenüber
dem Vorjahr entspricht dies rund 1,7 Millionen Euro an Mehrkosten. Letztendlich
handelt es sich also um eine Steigerung von 15,9 Millionen Euro oder 1.160
Prozent in 8 Jahren.
„Diese Spirale darf sich nicht endlos weiterdrehen. Sonst wird es in Zukunft keinem einzigen Landkreis mehr möglich sein, mit einem ausgeglichenen Haushalt zu planen“, befürchtet Landrat Achim Hallerbach. Es könne nicht sein, dass Bund und Land immer wieder neue Wohltaten verkünden, die kommunale Familie auf einem Großteil der Kosten sitzen bleibe.
Der Landkreistag fordert bereits für das Haushaltsjahr 2025, dass eine Genehmigung der Kreishaushalte durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nicht an den vorliegenden, für die Kreise unabweisbaren Defiziten, scheitern darf.