Etwas mehr als neun Monate nach dem offiziellen Startschuss schließt das ursprünglich zur gerechten Verteilung des knappen Impfstoffes eingerichtete Impfzentrum (IZ) in Oberhonnefeld am 30. September seine Pforten. Zeit, Bilanz zu ziehen, auch wenn das Material des IZ vorerst vorgehalten bleibt, damit auf eine mögliche Veränderung der Situation schnell reagiert werden kann.
Ständige Veränderung. Wenn Impfkoordinator Matthias Blum gefragt wird, was die Arbeit im Impfzentrum in den vergangenen Monaten ausgemacht hat, dann sagt er: ständige Veränderung. Die Konstante war das Inkonstante. Erst war kaum Impfstoff vorhanden, dann zu wenig, dann überstieg das Angebot die Nachfrage. Blum und seine Kollegen standen ständig unter Druck, mussten immer wieder rechnen, Kapazitäten anpassen, mussten erklären, rechtfertigen, später werben. Das Hick-Hack rund um die veränderten AstraZeneca-Empfehlungen der StiKo, die Priorisierungen der Impflinge und ihre Überprüfung vor Ort, der Kampf mit der komplizierten Terminvergabesoftware, Impfdrängler, gereizte Menschen auf Wartelisten, Warteschlangen, Parkplatzknappheit, anonyme, haltlose Beschuldigungen gegen Mitarbeiter und schließlich sogar ein Anrufer, der drohte, seine Impfung mit Waffengewalt zu erzwingen. Security war nicht nur zum Spaß engagiert. Kurzum: Es war, freundlich formuliert, viel los im Impfzentrum. Verlässliches Planen, wie es Verwaltungsbeamte eigentlich so gern machen: schwierig. Eine Pandemie war ungeübt. „Wir mussten immer kurzfristig auf Veränderungen reagieren. Für unsere Leute war es schon eine enorme Herausforderung“, resümiert Blum.
„Die Kollegen haben herausragende Arbeit geleistet“, lobt Landrat Achim Hallerbach, der sich durchaus bewusst ist, dass einige seiner Mitarbeiter bis zur Belastungsgrenze gegangen sind. „Wenn es ein Problem gab, musste es sofort geregelt und ad hoc entschieden werden - im laufenden Betrieb. Es gab keine Pause. Keine Zeit, in Ruhe etwas umzuorganisieren und auszuprobieren. Es musste ja weitergehen; an sieben Tagen in der Woche“, erinnert er.
Und es ging immer weiter, was zu einer eindrucksvollen Bilanz führt: Weit mehr als 100.000 schützende Spritzen haben die medizinischen Mitarbeiter in Oberhonnefeld gesetzt und damit zahllose Leben gerettet. Der Anteil des IZ an der bislang insgesamt erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie im Kreis Neuwied ist maßgeblich. Vor allem seit sie die alten Menschen, die sogenannten vulnerablen Gruppen, geimpft hatten, gingen die Todesfallzahlen deutlich zurück. Und dass die Neuwieder zu den ersten im Land gehörten, die ihre Impflinge-Warteliste abgearbeitet hatten, zeugt von hervorragender Organisation, Effektivität und hohem Engagement.
Die Arbeit begann dabei schon einige Wochen vor der ersehnten ersten Impfstoff-Lieferung am zweiten Weihnachtstag 2020. Landrat Achim Hallerbach hatte mit Werner Böcking seinen früheren Feuerwehrchef (KFI) im November aus dem gerade begonnenen Ruhestand zurückgeholt. Und Böcking legte los. Mit Hochdruck suchte er, der als langjähriger Brandschutzbeauftragter der Verwaltung praktisch jede Halle im Kreis kannte, nach einem passenden Standort – natürlich begleitet von den Wünschen vieler, die dieses IZ am liebsten in ihrem eigenen Ort haben wollten.
Bei der geografisch günstig gelegenen Firma Schmitt-Peterslahr in Oberhonnefeld wurde er fündig und baute mit einigen Helfern innerhalb von nur zehn Tagen die nötige Infrastruktur auf, sodass am 13. Dezember mit Grippeschutzimpfungen ein erfolgreicher Probedurchlauf absolviert werden konnte. „Was Werner Böcking geleistet hat, war Gold wert“, machte Landrat Achim Hallerbach schon deutlich, als dieser dann im Mai auf eigenen Wunsch ins zweite Glied zurücktrat und den Staffelstab an Matthias Blum weitergab.
Verändert hat sich mit der Zeit der Personalbedarf. So lag bald auch die nicht immer einfache Gewinnung des medizinischen Personals in der Verantwortung der Kreisverwaltung. Und waren nach Vorgabe des Landes anfangs noch vier Verwaltungs-Mitarbeiter ausreichend, so wurden zu Zeiten des Hochbetriebs rund 40 Kollegen benötigt, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Schließlich lief das IZ ab dem 15. März im Zwei-Schicht-Betrieb und war an sieben Tagen in der Woche von 8 Uhr bis 20 Uhr tätig. Mehr als 5000 Impfungen wurden da zeitweise pro Woche gegeben. Teilweise mussten Termine kurzfristig umgelegt und für Restdosen abends noch Menschen angerufen werden. Keine Dosis sollte verschwendet werden. Keine Dosis wurde verschwendet.
Später dann ging der Andrang der Impfwilligen zurück - und es war plötzlich zu viel Personal da. Dann wieder durften auch Jugendliche geimpft werden, was einen höheren individuellen Aufklärungsbedarf mit sich brachte. Ständige Veränderung. Zudem gab es immer wieder kleinere Vorkommnisse wie Kreislaufprobleme bei den teils nervösen Impflingen, die auch bei den IZ-Mitarbeitern den Blutdruck erhöhten. „Aber etwas Gravierendes hatten wir glücklicherweise nie“, sagt Blum erleichtert.
„Es war eine Mammutaufgabe, die jetzt kurz vor
ihrem Abschluss steht. Ich kann Werner Böcking, Matthias Blum und allen
Kollegen nur für ihr großes Engagement danken. Dank ihnen hat das Impfzentrum
den Zweck, für den es aufgebaut worden ist, erfüllt“, betont Landrat Achim
Hallerbach und weist auch zufrieden darauf hin, dass es bei einer solch
wichtigen Aufgabe natürlich immer schnell auch Beschwerden gibt. „Ungewöhnlich
ist aber, dass die ganz weit überwiegende Zahl der Rückmeldungen, die uns
erreicht haben, sehr positiv waren. Die meisten Menschen waren dankbar und
haben sowohl die hohe Professionalität als auch die Freundlichkeit der Kollegen
ausdrücklich gelobt“, freut sich der Landrat.