Landkreis hat Jugendhilfe qualifiziert im Blick

Experte: Positive Entwicklung des Bevölkerungssaldos in den letzten Jahren durch Zuzüge vieler junger Familien in den Kreis

In den Naturwissenschaften und als betriebswirtschaftliche Methodik sind Monitoring und Controlling gang und gäbe; der Landkreis Neuwied macht sich solche zeitgemäßen Instrumentarien ebenfalls zu Nutze. Unter anderem haben die Verantwortlichen im Kreis dabei die Jugendhilfe auf dem Schirm. „Hilfe für Kinder und Jugendliche ist nicht nur gelebte Solidarität, sondern auch Sicherung der Zukunft. Deshalb nimmt das Kreisjugendamt Neuwied seit 2002 am landesweiten Projekt `Qualitätsentwicklung durch Berichtswesen´ in der Jugendhilfe teil. Auf der Grundlage dieser gesammelten Daten lassen sich die Entwicklungen und Herausforderungen für die Jugendhilfe im Kreis Neuwied ableiten“.

Mit diesen Worten umreißt Landrat Achim Hallerbach, zugleich Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, was Heinz Müller, Geschäftsführer des ISM - Institut für sozialpädagogische Forschung Mainz, in der letzten Sitzung des Gremiums konkretisierte. Im Blick hatte der Forscher dabei die Trends und Entwicklungen der Kinder- und Jugendhilfe im Kreisjugendamtsbezirk Neuwied während der zurückliegenden Wahlperiode.

So wurde die Kinder- und Jugendhilfe während der vergangenen Wahlperiode sowohl mit vielfältigen gesellschaftlichen Entwicklungen, als auch mit gesetzlichen Neuerungen konfrontiert. Exemplarisch nannte Heinz Müller die nach wie vor virulenten Nachwirkungen und Folgen der Corona-Pandemie sowie den Krieg gegen die Ukraine mit den daraus resultierenden Fluchtbewegungen insbesondere junger Menschen und Kinder. In diesem Zusammenhang wies der Institutsleiter auch auf die ungebrochen hohen Zahlen an unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (umA) und die fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten hin. Zusätzlich beschrieb er den Handlungsdruck für die Jugendhilfe hinsichtlich der Umsetzungsanforderungen für gesetzliche Neuerungen.

Dazu zählen das Kita- (KitaG) und Ganztagsförderungsgesetz (GaföG) ebenso wie die Umsetzung des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) sowie die Vormundschaftsreform oder die Vorbereitungen darauf inklusive Kinder- und Jugendhilfe. Diese Vorgaben hätten auch im Kreisjugendamt Neuwied organisatorische und personelle Ressourcen gebunden.

„Gesellschaftliche Wandlungsprozesse erfordern auch Transformationsprozesse in der Kinder- und Jugendhilfe, die aktiv durch den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe gestaltet werden müssen. Hier kommt dem Jugendamt auch die Funktion einer Art Transformationsagentur für gesellschaftlichen Wandel zu“, verdeutlichte Heinz Müller. Zugleich wies der Experte aus Mainz darauf hin, dass die Kinder- und Jugendhilfe dabei mit insgesamt rund 62 Milliarden Euro (2021) der drittgrößte Sozialleistungsbereich in Deutschland ist, der zu 80 Prozent kommunal finanziert wird. „Im Jahresverlauf seit 2010 sind die Ausgaben kontinuierlich angestiegen; größter Ausgabenbereich ist demnach, bedingt durch den stetigen Ausbau des Betreuungsangebotes, die Kindertagesbetreuung gefolgt von den Hilfen zur Erziehung,“ ergänzte Landrat Achim Hallerbach.

Im Hinblick auf die soziodemographischen Rahmenbedingungen attestierte Heinz Müller für den Kreisjugendamtsbezirk Neuwied eine positive Entwicklung des Bevölkerungssaldos in den letzten Jahren. So sei die Bevölkerungszahl zwischen 2019 und 2022 um 2,9 Prozent gestiegen. Der positive Saldo ergebe sich insbesondere durch Zuzüge vieler junger Familien in den Kreis.

Der Institutsleiter wies ebenfalls auf die Relevanz von Armut für die Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung hin: Je höher der Sozialgeldbezug von unter 15-jährigen in einem Jugendamtsbezirk ist, desto höher fallen die bevölkerungsrelativierten Auszahlungen für Hilfen zur Erziehung aus. Beim Sozialgeldbezug der unter 15-jährigen im Jahr 2022 liegt der Anteil des Landkreises Neuwied unter dem Durchschnitt der rheinland-pfälzischen Landkreise; die Zahl ist im Vergleich zu 2019 nochmals leicht gesunken.

Dementsprechend liegt der Kreisjugendamtsbezirk Neuwied im rheinland-pfälzischen Landestrend, wonach zwischen 2019 und 2022 ein leichter Rückgang der Gewährung von Hilfen zur Erziehung (2,4 Prozent) zu verzeichnen ist.

Trotzdem setzt sich die Tendenz fort, dass mit großem Abstand zu den weiteren Hilfesegmenten zum Großteil ambulante Hilfen gewährt werden. „Meiner Meinung nach ist das ein Indiz dafür, dass im Landkreis Neuwied in hohem Umfang mit familienerhaltenden Hilfen gearbeitet wird“, erklärte Heinz Müller. „Bereits 2010 haben wir mit einem präventiven Konzept den niedrigschwelligen Bereich stark ausgebaut, um Kindern, Jugendlichen und Familien frühzeitig Hilfen anbieten zu können,“ unterstreicht Achim Hallerbach.

Dem Kreisjugendamtsbezirk Neuwied bescheinigte der Fachmann aus der Landeshauptstadt trotz angespannter Fachkräftesituation auf dem Arbeitsmarkt eine sich in den letzten Jahren positiv entwickelnde und adäquate Personalausstattung in den Sozialen Diensten:

„Hier zeigt sich eine erfolgreiche Personalgewinnung und effiziente Personalsteuerung im Kreisjugendamt Neuwied, um der Bearbeitung des Fallaufkommens gerecht zu werden. Dies gelingt nur mit einer hochqualifizierten und engagierten Leitung des Jugendamtes und des gesamten Teams“, so Landrat Achim Hallerbach.

Im Laufe der letzten Jahre hat sich eine positive Tendenz ebenfalls bei der Kostenentwicklung für die Hilfen zur Erziehung gezeigt. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, dass sich die Pro-Kopf Auszahlungen der Erziehungshilfen (HzE) pro Kopf/ Kind unter 21 Jahre seit 2019 auf einem stabilen Niveau bewegen und nicht merklich angestiegen sind. „Während die Kosten landesweit um 1,5 Prozent seit 2021 nach oben gegangen sind, zeigt sich im Kreisjugendamt mit einem Rückgang um 0,5 Prozent ein umgekehrter Trend“, vernimmt Landrat Hallerbach die Zahlen zufrieden. Allerdings bleibe abzuwarten, wie sich die Inflation seit Anfang 2022 in der Kostenentwicklung in den nächsten Jahren niederschlagen werde.

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