Kreis Neuwied – Der beschauliche Ort Freisbach im Landkreis Germersheim hat in den vergangenen Tagen für reichlich Schlagzeilen gesorgt. Gemeinderat und Ortsbürgermeister waren geschlossen zurückgetreten. Grund ist das Postulat der zuständigen Kommunalaufsicht. Die hatte gefordert, die gemeindlichen Steuern zu erhöhen, um den landesgesetzlich geforderten Haushaltsausgleich zu erreichen. Für den Neuwieder Landrat Achim Hallerbach mehr als ein Warnsignal.
„Dass ein Ortsgemeinderat samt Ortsbürgermeister geschlossen zurücktritt – das ist ein echter Paukenschlag und ich befürchte, es ist erst der Anfang“, bewertet Hallerbach die Ereignisse im südlichen Rheinland-Pfalz.
„Es kommt nicht von Ungefähr, dass viele rheinland-pfälzische Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen. Sie sind die am höchsten verschuldeten in der ganzen Bundesrepublik“, weiß der Neuwieder Landrat.
Grund ist die mangelnde kommunale Finanzausstattung durch das Land. Die verbessere sich auch nicht grundlegend dadurch, dass das Land in diesem Jahr 350 Mio. Euro Finanzausgleichsmittel mehr zur Verfügung stellt und den Kommunen drei Milliarden Euro Kassenkreditschulden abnimmt.
Das sei – so Hallerbach – im Falle der 350 Mio. Euro Geld, das die finanzstarken Kommunen an Mehr gezahlt haben und das im Übrigen die kommunalen Belastungen (u.a. durch Zuzug von Flüchtlingen und Kriegsvertriebenen, Kita-Ausbau, Tarifsteigerungen) nicht abfedern könne. Und für die drei Milliarden Euro, die das Land an Kassenkreditschulden übernimmt, spart es an anderer Stelle Zuweisungen an die Kommunen aus dem bisherigen Kommunalen Entschuldungsfonds.
Freisbach könnte auch im Landkreis Neuwied liegen. Ein Ort mit Kita und Kulturhalle und einer ganzen Menge an Aufgaben der Daseinsvorsorge, allerdings ohne das dazu nötige Geld. Für notwendige Ausgaben für Pflichtaufgaben, etwa Neubauten oder Sanierungen von Kitas, Schulen, Straßen, ÖPNV oder in die weitere gemeindliche Infrastruktur, müssen die Kommunen sich also zwangsläufig wieder weiter verschulden.
„Das ist bitter, denn unsere Kommunen sind der Dreh- und Angelpunkt des Lebens. Ich bin dankbar, dass unsere ehrenamtlichen Räte und Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister in dieser schwierigen Lage noch mit viel Engagement dabei sind“, blickt Hallerbach auf den Kreis. Viele Kommunen haben – anders als Freisbach - die bittere Pille geschluckt und die Realsteuer-Hebesätze wie aus Mainz gefordert, angehoben. Für das, was sie den Bürgerinnen und Bürgern „auf Geheiß“ zugemutet haben, haben sie verständlicherweise viel Unmut der Bevölkerung geerntet.
Mit welcher Motivation sollen Gemeinden in zusätzlichen Wohnraum für den andauernden Flüchtlingsstrom investieren, wenn sie dafür gleichzeitig die Hebesätze und damit die Steuern vor Ort erhöhen müssen, und auf der anderen Seite das Geld für die grundsätzlichen kommunalen Pflichtaufgaben fehlt. „Gerade jetzt und in den kommenden Jahren bleibt den Kommunen nichts anderes übrig, als Schulden zu machen und damit auch mit unausgeglichenen Haushalten zu arbeiten. Ansonsten kommt es zu gesellschaftlichen Verwerfungen,“ warnt Landrat Achim Hallerbach.
Eine Lanze bricht Hallerbach übrigens nicht nur für die engagierte Arbeit der allesamt ehrenamtlichen Ratsmitglieder und Gemeindechefinnen und -chefs.
„Auch unsere Kommunalaufsichtsbehörde befindet sich hier in einem absoluten Spannungsfeld. Sie soll einerseits die Kraftanstrengung der Kommunen einfordern und notfalls durchsetzen und andererseits einen Aufsichtsstil pflegen, der die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreude der Gemeindeorgane fördert“, beschreibt er deren Dilemma.
„Ich sehe das hohe Gut der Kommunalen Selbstverwaltung in Gefahr, wenn sich an der finanziellen Ausstattung der Gemeinden nicht grundlegend etwas ändert“, so Landrat Achim Hallerbach.
Seine Forderung: Es braucht dringend eine Aufstockung des Kommunalen Finanzausgleichs im Rahmen eines Soforthilfeprogramms und eine Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs, damit unsere Städte, Gemeinden und Kreise handlungsfähig bleiben.