Der Kreis Neuwied hat 2022 mehr Flüchtlinge aufgenommen als in den Jahren der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 und 2016 zusammen. Dass dies gelungen ist, ist vor allem dem großen bürgerschaftlichen Engagement zu verdanken. Aber der Kreis Neuwied ist nunmehr an seiner Grenze angelangt. „Der Wohnungsmarkt ist leergefegt, es gibt kaum noch freie Kapazitäten. Außerdem fehlen Ärzte, Kitaplätze und Lehrer für Schulen und Sprachkurse“, sagt Landrat Achim Hallerbach und macht deutlich, „dass Integration so nicht gelingen kann“. Er fordert deshalb eine deutliche Reduzierung der Aufnahmezahlen sowie eine Umverteilung auf europäischer Ebene.
„Bei einer gerechten Verteilung dürfte die Aufnahme so vieler Asylbewerber und ukrainischer Flüchtlinge zahlenmäßig eigentlich kein Problem sein. Aber es kann nicht sein, dass Deutschland den Löwenanteil aufnimmt, weil bei uns die Sozialstandards am höchsten sind. Die Bundesregierung muss jetzt dafür Sorge tragen, eine gleichmäßigere Verteilung innerhalb Europas und auch eine Begrenzung zu gewährleisten. Wir brauchen dringend eine gesamteuropäische Lösung“, sagt er und fordert von Bundeskanzler Olaf Scholz, dieses Thema zur Chefsache zu machen. Landrat Achim Hallerbach weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass seit 2014 bundesweit 1,4 Millionen Flüchtlinge aufgenommen worden sind und im vergangenen Jahr noch einmal mehr als 1 Million Ukrainer hinzukamen.
„Wir können so viele Menschen nicht mehr versorgen. Die Situation in den Kindergärten und Schulen ist äußerst angespannt. Und auf dem Wohnungsmarkt gilt das ohnehin. Auch wenn Flüchtlinge irgendwann einen Aufenthaltstitel haben, finden sie auf dem Markt nur sehr schwer eine Wohnung“, führte er aus und ergänzt, dass es zwar tolle Beispiele für gelungene Integration gibt, aber auch viele problematische Fälle, bei denen selbst in Deutschland geborene Kinder kaum deutsch sprechen.
Hinzu komme, dass die Flüchtlinge teils extrem
belastende Situationen hinter sich haben. „Wer kümmert sich um sie? Ich habe
niemanden mehr“, sagt Landrat Achim Hallerbach und unterstreicht, dass es nicht
darum gehen kann, die Flüchtlingshilfe nur an die Kommunen zu delegieren. „Wir
brauchen weniger Flüchtlinge und mehr Ressourcen. So, wie die Flüchtlingshilfe
derzeit abläuft, entspricht sie humanitären Ansprüchen nicht. Das muss auch die
Bundesregierung erkennen“, betont er. Nach bundesweit 190.000 Asylanträgen 2021
und rund 240.000 im vergangenen Jahr könne es so nicht mehrweitergehen.
Ansonsten sei die einseitige Belastung Deutschlands mit „erheblichem gesellschaftlichem Sprengstoff“ verbunden. „Wenn wir Kommunen nicht mehr handeln können, verlieren die Bürger das Vertrauen in den Staat als Ganzes“, warnt Landrat Achim Hallerbach und betont: „Diese Regierung ist leider weit weg von unseren Sorgen und Nöten.“ Er ergänzt, dass er aus vielen Gesprächen weiß, dass die Bürgerinnen und Bürger besorgt sind. „Auch die Menschen, die helfen wollen, fühlen sich zunehmend überfordert“, sagt er und weist darauf hin, dass viele noch mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise 2015/16 ausgelastet sind.
Er fordere daher zwar keinen Aufnahmestopp - weil der Ukraine geholfen und Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen gerecht werden muss - aber eine deutliche Reduzierung der Aufnahme. Außerdem müsse in Fällen ohne Aufenthaltsrecht die Rückführung konsequent durchgesetzt werden. „Das betrifft selbstverständlich nicht Menschen aus der Ukraine, sondern aus anderen Staaten“, unterstreicht er und macht deutlich, dass die Hindernisse für eine Rückführung überwiegend gesetzlich verankert und durch die vollziehende Behörde nicht zu ändern seien. Landrat Achim Hallerbach führt in diesem Zusammenhang aus, dass sich derzeit 480 abzuschiebende Personen, darunter 50 straffällige, im Kreis Neuwied befinden. Rund 50 sind untergetaucht und zur Festnahme ausgeschrieben. Sie könnten im Fall eines Aufgriffs abgeschoben werden. Rund 300 Menschen haben dagegen eine Duldung. Ihre Abschiebung ist ausgesetzt, weil es einen politisch verfügten Abschiebestopp gibt (Iran, Syrien, Afghanistan), weil sie über keine Ausweispapiere verfügen oder weil die Heimatländer sie nicht wieder zurücknehmen.