Verbandsvorsteher
Landrat Achim Hallerbach zieht eine gemischte vorläufige Bilanz: „Das 9€-Ticket
hat eine gigantische Nachfrage erzeugt. Manche Züge waren in unserem Gebiet
derart voll und überfüllt, dass sogar reihenweise Fahrgäste an Stationen stehen
bleiben mussten, auch haben manche es nicht rechtzeitig geschafft, an den
Zielorten aus den Zügen zu kommen. Mein großer Dank gilt den vielen Fahrgästen,
die dieses 9€-Ticket-Experiment ertragen haben. Ich hoffe auch, dass die vielen
oftmals vergraulten Stammfahrgäste sich wieder in den Zügen einfinden werden.
Bei den vollen und oftmals nach keinem Fahrplan mehr fahrenden Zügen in der
noch vorhandenen Corona-Phase gilt mein besonderer Dank auch den vielen
Eisenbahnern bei allen unseren Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), die das
jeden Tag als Lokführer, Zugbegleiter, Disponent und auf anderen Positionen gestaltet
und auch ertragen haben. Bei vielen war es auch einfach zu viel, so dass
deutlich mehr Zugausfälle zu verzeichnen waren als zuvor. Systemausfälle, wie
die ganze rechtsrheinische Linie des RE 8, dürfen sich nicht wiederholen. Die
EVU müssen hier entsprechend vorsorgen.“
Die Schienennahverkehrsleistungen im Norden von RLP waren
ganz unterschiedlich von der großen Nachfrage betroffen. Die größte Nachfrage
zogen die Züge der linken Rheinstrecke auf sich. So erwies es sich als sehr
positiv, dass die RRX-Züge des RE 5 von Wesel nach Koblenz nicht wie
ursprünglich zu Betriebsstart 2019 geplant in Remagen von 2 auf 1 reduziert
wurden. Die Fahrgastzahlen des RE 5 sind sehr deutlich über das
Vor-Corona-Niveau gestiegen. Gleichzeitig ist aber auch die Anzahl der
Zugausfälle stark angestiegen und die vorzeitigen Wenden in Andernach anstelle
Koblenz haben die Reiseketten überfordert. Bei den fahrenden RE 5-Zügen ist nur
noch einer von drei im Rahmen von 5 min nach Plan gefahren. Bei jedem Ausfall
eines RE 5 wurden die Kapazitätsgrenzen der Mittelrheinbahn RB 26
überschritten. Oftmals konnten schon eine Station nach Koblenz Hbf in
Koblenz-Stadtmitte nicht mehr alle Fahrgäste mitgenommen werden, so dass die Fahrgastdichte
auch ein Räumen des Zuges gerechtfertigt haben könnte. Auch der von Koblenz
nach Süden fahrende RE 2 gehörte im DB-Konzern trotz einiger Doppeltraktionen
zu den meistausgelasteten Zügen bundesweit.
Verbandsdirektor Thorsten Müller zu den Chancen von
Verbesserungen: „Die Überforderung der angebotenen Zugkapazitäten insbesondere auf
dem linken Rhein lässt sich nachhaltig nur durch zusätzliche neue Zuggarnituren
und mehr Fahrten im Fahrplan lösen. All dies kostet viel Geld und kann durch
die Fahrgeldeinnahmen nicht gedeckt werden. Wir brauchen dringend und schnell sehr
viel mehr Regionalisierungsmittel vom Bund im System, um eine derartige
Nachfrage dauerhaft bewältigen zu können.“
Die Bereitstellung guter Platzkapazitäten, mehr Fahrten im System und höhere Personalreserven bieten sich als Maßnahmen für den klimabedingten Verkehrswandel hin zur Schiene an. Beispielhaft seien genannt:
- Die aus NRW kommende 3-fach Traktion der RB 26 könnte bis nach Koblenz geführt werden. Hierzu müssen neue Fahrzeuge beschafft werden.
- Die SÜWEX RE 2 verträgt einen Stundentakt mit vielen Doppeltraktionen statt des weitgehenden 2-h-Takt. Zum Einsatz kommen müssen zusätzliche Zuggarnituren.
- Auf der Moselstrecke nach Trier wird dauerhaft die Doppeltraktion des RE 1 benötigt.
- Ein neues Fahrzeugkonzept darf Entlastung für die Lahnstrecke bringen. Der Lahn-RE 25 darf auch alle 60 Minuten verkehren.
- Personalbedingte Systemausfälle wie beim RE 8 müssen durch
den Aufbau von mehr Personal und entsprechenden Reserven verhindert werden.
Verbandsvorsteher
Landrat Achim Hallerbach: „Die Einfachheit des Tickets ohne Tarifgrenzen und
der ausgesprochen günstige Preis hat die Menschen überzeugt. Damit die
Produktionskosten trotzdem gedeckt werden konnten, waren die hohen Zuschüsse
des Bundes nötig, die jetzt noch ins System zu den EVU kommen müssen. Die
Schnelligkeit, wie dieses 9€-Ticket-Experiment erfunden und umgesetzt wurde,
ist absolut untypisch für die Bahn&Busbranche, zeigt aber wie Bund und
Länder zusammen mit der Branche Fahrgastnachfrage schnell steigen lassen
können. Nur die Sitzplatzkapazität kommt da wirklich nicht hinterher. Für den
Ausbau des SPNV brauchen wir dringend und schnell mehr Geld vom Bund, auch die
Länder müssen ihren eigenen Beitrag für den Busbereich leisten. Ich befürchte,
dass bei uns die Mittel schon in 2023 nicht mehr für die bestehenden Zugleistungen
reichen werden, dann reden wir über Mangelverwaltung anstelle von Aufbruch.
Soweit darf es nach diesem 9€Ticket-Erfolg nicht kommen.“