Der Kreis Neuwied hat seine Lehren aus der Ahrflut gezogen

Auf vielen Ebenen wird der Katastrophenschutz verbessert – Eine Übersicht

Kreis Neuwied. Hätte der Wind ein wenig anders gestanden, dann hätte sich die Flut-Katastrophe nicht an der Ahr, sondern an Wied, Sayn oder Holzbach abgespielt. Hätten die Verantwortlichen im Kreis Neuwied besser gehandelt? „Wir hoffen es natürlich, wollen uns aber lieber nicht zu weit aus dem Fenster hängen“, sagen Landrat Achim Hallerbach und BKI Holger Kurz. Hätte, hätte … Der Kreis Neuwied hat Glück gehabt. Und so bleiben für viele Menschen, die an der Ahr im Hilfseinsatz waren, bittere Bilder zurück. Aber im Kreis Neuwied selbst ist nichts zerstört worden.

Vieles von dem, was in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli an der Ahr geschah, war für die dort handelnden Akteure zum damaligen Zeitpunkt nicht vorhersehbar. Doch die Erfahrung hat - auf sehr schmerzliche Art und Weise - den Erfahrungshorizont der heute Verantwortlichen erweitert. „Wir müssen daraus lernen und die Erkenntnisse nutzen, um uns zu verbessern, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt“, betont Landrat Achim Hallerbach – wohl wissend, dass der Mensch Naturkatastrophen nie wird völlig kontrollieren kann.

Und welche Schlüsse hat man im Kreis Neuwied gezogen? Wo hat man Verbesserungen in Gang gesetzt? Eine Übersicht der wichtigsten Maßnahmen:


1.: Warnung der Bevölkerung:

Ein flächendeckendes Sirenennetz soll wieder aufgebaut werden. Ausdrücklich ist es nicht für die Rettungskräfte gedacht, die weiter über den „stillen Alarm“ (Piepser) gerufen werden, sondern zur Warnung der Bevölkerung. In diesem Jahr noch sollen 20 neue Sirenen aufgestellt werden, insgesamt 160. Außerdem sind seitens des Kreises bereits für jede Verbandsgemeinde und die Stadt je zwei „Mobile Hochleistungsbeschallungsanlagen“ angeschafft worden. Daneben wird die Information der Bevölkerung verbessert. „Jeder Bürger und jedes Unternehmen muss sich auch selbst vorbereiten. Wir informieren verstärkt darüber, wie man sein Haus sichern kann oder welche Notvorräte angelegt werden sollten“, berichtet Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Holger Kurz.

Außerdem hat die VG Asbach bei Neustadt einen zusätzlichen Hochwasserpegel installiert, der in Kürze in Betrieb geht. Weitere sollen folgen. Die Abstimmung mit dem Land läuft.


2.: Aufbau eines neuen Lagezentrums:

Schon vor der Flutkatastrophe war geplant, ein neues Führungs- und Lagezentrum aufzubauen. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Gebäude im Gewerbegebiet Distelfeld jedoch zunächst für die Fieberambulanz benötigt. Mittlerweile ist dort die Abteilung für Brand- und Katastrophenschutz der Kreisverwaltung eingezogen. Die Räumlichkeiten für die Krisenstäbe mit entsprechender technischer Ausstattung werden derzeit hergerichtet, eine autarke Versorgung zur Aufrechterhaltung von Kommunikation und Heizung wird aufgebaut.


3.: Aufbau eines neuen Katastrophenschutz-Lagers:

Zum Gebäude des neuen Lagezentrums gehört auch eine 830 Quadratmeter große Halle, in der Feldbetten und weiteres Material zur Unterbringung von Menschen sowie Sandsäcke und Sonderlöschmittel eingelagert worden sind. Der Bestand wird weiter aufgebaut mit Einsatz- und Verbrauchsmaterial. Noch in diesem Jahr sollen zwei mobile Tankstellen und eine Anlage zur Trinkwasserverteilung beschafft werden.


4.: Transport und Logistik:

In Abstimmung mit der Stadt und den Wehrleitern hat der der Kreis ein neues Logistikkonzept erarbeitet. Dazu gehören unter anderem die Beschaffung von zwei Wechselladerfahrzeugen, zwei hochgeländegängigen und watfähigen Lkw, eines Staplers/Teleskopladers, eines geländegängigen Kommandofahrzeugs und eines kleinen Erkundungsfahrzeugs.


5.: Alarm- und Einsatzplanung:

Bestehende Konzepte der überörtlichen Bereitschaft haben sich durchaus bewährt, werden aber weiterentwickelt. Die Alarm- und Einsatzplanung für Wied und Holzbach wird zusammen mit den Nachbarkreisen Altenkirchen und Westerwald überarbeitet, genauso die Alarm- und Einsatzpläne für die Bahnstrecken. Die Kommunikation zwischen Landkreis und Gemeinden wird standardisiert und vernetzt, eine internetbasierte Plattform geschaffen. Der Austausch wird und muss von den Beteiligten weiter praktisch geübt werden.


6.: Ausbildung der Mitarbeiter:

Die Ausbildung der Stäbe wird intensiviert. In der Kreisverwaltung hat bereits eine zweitägige Fortbildungsveranstaltung mit der „Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung“ stattgefunden, an dem alle leitenden Mitarbeiter teilgenommen haben. Dies wird durch individuelle Teilnahmen an Seminaren ergänzt. Übungen der technischen Einsatzleitung sind fest vorgesehen.


7.: Betreuungskonzept:

Die Kreisverwaltung steht mit den Hilfsorganisationen in einem intensiven Austausch über die Verbesserung der Ausstattung der Schnelleinsatzgruppen-Betreuung, kurz SEG-B. Dafür wird ein neues Fahrzeug angeschafft, das bis zu 25 Personen betreuen kann. Ergänzende Ausstattung für weitere 75 Personen befindet sich auf einem Abrollbehälter. Im Katastrophenschutzlager wird Material für bis zu 500 Personen vorgehalten.


8.: Hochwasserschutz

Die Hochwasserpartnerschaften „Wied-Holzbach“ und „Nördlicher Mittelrhein“ haben ihre Arbeit intensiviert und Arbeitsgruppen zu verschiedenen Fragestellungen gebildet. Das Wiedbachtal ist begangen worden. Gefahrenstellen, zum Beispiel durch Totholzansammlungen, wurden punktuell entfernt. Die Uferstruktur wird Stück für Stück weiter verbessert.

 

„Abgeschlossen ist dieser ganze Prozess noch lange nicht“, weiß Landrat Achim Hallerbach. „Aber die ersten Schritte sind gemacht. Wir sind auf dem Weg“, macht er deutlich.       

 


„Lagezentrum“: Das neue Lagezentrum für den Katastrophenschutz des Kreises wird derzeit aufgebaut.

   

 

„Kat.schutzschulungen“: In einem zweitägigen Seminar hat Ulf Röller von der „Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung“ die Abteilungsleiter der Kreisverwaltung geschult.

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