Mit dem Stärkungsgesetz ist im Juni nach rund fünf Jahren die Reform des Kinder- und Jugendhilferechts vollendet worden. Mehr Prävention, verbesserter Kinderschutz, die Stärkung der Rechte von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien sowie die Gleichgebehandlung von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung – das sind die ambitionierten Ziele dieser Reform.
„Wir begrüßen die Reform sehr, die praktische Umsetzung auf Landkreis-Ebene wird aber auch ein Kraftakt“, kommentierte Landrat Achim Hallerbach im Jugendhilfeausschuss. Er machte dabei deutlich, dass zusätzliche Mittel nötig sind, etwa um Personal zu qualifizieren und aufzustocken. „Wir brauchen zusätzlich Ressourcen für eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Jugendhilfe, damit der Reformprozess nicht nur lange währt, sondern auch im Ergebnis tatsächlich gut wird“, war sich der Landrat mit den Ausschussmitgliedern einig.
Doch worum geht es genau? Zu den wesentlichen Änderungen gehört eine Anpassung der Verfahren zur Gefährdungseinschätzung bei Kindeswohlgefährdung. Sogenannte Berufsgeheimnisträger – zum Beispiel Ärzte, Psychologen, Hebammen und Lehrer - sind künftig bei einer Meldung über eine Kindeswohlgefährdung vom Jugendamt in das Verfahren zur Überprüfung einzubeziehen und über das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung zu unterrichten. Bislang war diese Zusammenarbeit durch datenschutzrechtliche Bestimmungen erheblich erschwert. Uwe Kukla, stellvertretender Leiter des Kreisjugendamtes, begrüßt, dass auch die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und Jugendamt vereinfacht worden ist: So können Staatsanwalt oder Gericht künftig das Jugendamt informieren, wenn zum Beispiel ein Strafverfahren wegen sexuellem Missbrauch läuft und im Haushalt der beschuldigten Person minderjährige Kinder leben. „Das ist sicherlich eine sinnvolle Regelung, die den Schutz dieser Kinder erheblich verbessert“, kommentiert Kukla.
Bei den stationären
Hilfen des Jugendamtes (Heimerziehung und Vollzeitpflege) sind künftig
Geschwisterbeziehungen mehr zu berücksichtigen, nicht sorgeberechtigte
Elternteile mit einzubeziehen und weitere Hilfen anzubieten, um durch eine
intensive Arbeit mit der Familie ein Kind in einem überschaubaren Zeitrahmen
wieder nach Hause zurückführen zu können. „Das Jugendamt ist künftig auch
verpflichtet, konkrete Schutzkonzepte für Kinder in Pflegefamilien zu
entwickeln und neutrale Beschwerdemöglichkeiten anzubieten. Ohnehin sind die
Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in der Jugendhilfe deutlich
gestärkt worden“, betont Uwe Kukla.
Die Umsetzung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe stand im Mittelpunkt des Reformprozesses. Derzeit sind die Hilfen für Kinder und Jugendliche noch aufgeteilt: Das Jugendamt ist für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen Behinderung zuständig, das Sozialamt für diejenigen mit einer geistigen und körperlichen Behinderung. Mit der Reform soll diese Aufteilung überwunden und die Hilfen aus einer Hand durch das Jugendamt angeboten werden. Uwe Kukla: „Da es sich um eine komplexe Neuregelung handelt, hat sich der Gesetzgeber entschlossen, diese in drei Schritten zu vollziehen: Im ersten Schritt wurde die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung zum Gegenstand von Jugendhilfeplanung und Qualitätsentwicklung gemacht. Betroffene Familien haben gegenüber dem Jugendamt einen umfassenden Beratungsanspruch über die Leistungen aller Sozialleistungsträger.“ 2024 wird dann der „Verfahrenslotse“ eingeführt, der die Antragsverfahren bei allen Eingliederungshilfen zentral organisieren soll. Ab 2028 schließlich soll das Jugendamt für alle Kinder und Jugendlichen zuständig sein.
Weitere Schwerpunkte der Reform sind die intensivere Unterstützung von jungen Erwachsenen sowie der Ausbau niedrigschwelliger Beratungs- und Betreuungsangebote. Für die Praxis des Kreisjugendamtes bedeutet dies: neue Aufgaben, komplexere Verfahren, notwendige Anpassung der Strukturen. „Und dafür werden wir mehr Mittel und Personalressourcen brauchen“, stellt Landrat Achim Hallerbach noch einmal klar.