So berichtet Kurz, dass seit 2014 ein rund 60-köpfiges Krisenstabsteam für den Kreis Neuwied ausgebildet worden ist. In Zusammenarbeit mit der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde das bundesweite Pilotprojekt „Nachhaltige Stabsarbeit“ aufgelegt, bei dem die Mitglieder der Technischen Einsatzleitung des Landkreises intensiv in der Stabsarbeit geschult worden sind. Höhepunkt dieser Ausbildungsreihe war eine Stabsübung in Neuwied über mehrere Tage, bei der ein extremes Rheinhochwasser mit einer Überflutung des Neuwieder Deiches angenommen wurde. Die seit 2015 angeschaffte Ausstattung für die Technische Einsatzleitung - zwei Einsatzleitwagen, Mehrzweckfahrzeug und Materialanhänger - sowie die begonnene Einführung einer elektronischen Führungsunterstützungssoftware hat sich an der Ahr absolut bewährt.
Parallel laufen seit 2019 Vorkehrungen, ein Katastrophenschutzzentrum bestehend aus einem Führungs- und Lagezentrum, sowie einem Zentrallager für den Katastrophenschutz einzurichten. Mit dem Neubau von Gebäuden für die Abfallwirtschaft (AöR) des Kreises ist das bisherige „Stammhaus“ im Gewerbegebiet Distelfeld freigeworden. Auf Initiative von Landrat Achim Hallerbach wird dieser Standort als künftiges Katastrophenschutzzentrum hergerichtet. Hier wird ein Stabsraum mit entsprechender moderner digitaler Technik und Notstromversorgung installiert. Bisher muss eine solche Zentrale immer erst in einem Feuerwehrgerätehaus oder in der Kreisverwaltung zeitaufwändig aufgebaut werden. Und selbst der bisherige provisorische Stabsraum der Kreisverwaltung ist nicht hochwasserfrei. Bei akuten Lagen geht hierdurch sehr viel Zeit verloren. Rund 750.000 Euro sind dafür eingeplant. Dass es noch nicht zur Umsetzung kam, lag an der Corona-Pandemie. Das Gebäude wurde erst einmal notgedrungen als Fieberambulanz genutzt. Gesundheitsamt und Bundeswehr machten hier die Abstriche für PCR-Tests und verfolgten die Kontakte von Infizierten nach.
Ein Problem, dass es derzeit auch im Kreis Neuwied gibt, ist die fehlende Möglichkeit, die Bevölkerung per Sirene zu warnen. Darauf haben Kurz und Hallerbach bei einer Informationsveranstaltung mit den Bürgermeistern und den Wehrleitern des Kreises im Juni eindringlich hingewiesen. „Da ist seit Jahren dringender Handlungsbedarf, da müssen wir ran. Das war immer unsere Aussage“, betont Hallerbach entschlossen und erklärt, dass sich die vom Land versprochene Einführung des digitalen Alarmierungsnetzes, die das Sirenenproblem zu weiten Teilen lösen würde, bislang immer wieder verschoben hat. „Mit der Aussicht auf digitale Alarmierung, für die wir die durchaus zahlreich vorhandenen Sirenen dann nur umrüsten müssen, erschien es bislang wenig sinnvoll, noch kurz vorher große Summen in die alte Technik zu investieren“, führt er aus.
Sirenen, so macht Kurz weiter deutlich, sind aber auch nicht alles. Denn neben der Alarmierung muss die Bevölkerung auch informiert werden. „Es ist es Zusammenspiel mehrere Systeme. Verschiedene Möglichkeiten müssen sich sinnvoll ergänzen“, sagt der BKI und nennt Warn-Apps wie KatWarn und NINA, Lautsprecherdurchsagen, aber auch Radio und Fernsehen als Beispiele. Der Kreis Neuwied hat deshalb zwölf neue mobile Sirenen für Lautsprecherdurchsagen angeschafft. Mit den vorhandenen Anlagen sind nunmehr je zwei Mobile Lautsprechersysteme in jeder Verbandsgemeinde vorhanden.
Ein weiteres großes Thema in den Besprechungen mit Bürgermeistern und Wehrleitern ist das der Notstromversorgung. Bei flächendeckenden Ausfällen bzw. bei einer derartigen Katastrophenlage steht auch die Stromversorgung im Mittelpunkt des Geschehens. „Ohne Strom gibt es keinen Treibstoff. Ohne Strom sind Menschen mit medizinischer, pflegerischer Versorgungstechnik im eigenen Zuhause gefährdet. Ohne Strom gibt es keine Kommunikation“, macht Hallerbach deutlich. Deshalb hat der Kreis in seinem diesjährigen Haushalt Investitionsmittel für neue Notstromaggregate berücksichtigt. Derzeit läuft die Ausschreibung zur Beschaffung. „Auch hier werden wir die Defizite der vergangenen Jahre und Jahrzehnte aufarbeiten und ein abgestimmtes Notstromversorgungskonzept mit den Energieversorgern in unserem Landkreis erstellen“, betonen Landrat und BKI. Dabei müssen ebenfalls die wichtigsten Versorgungseinrichtungen eingebunden werden. Es könne nicht jedes Haus in die Versorgungsplanung aufgenommen, hier müsse auch an die eigenverantwortliche Absicherung appelliert werden.
Dazu passt, dass derzeit gemeinsam mit der Stadt Neuwied, aber gedacht für den gesamten Landkreis und in Abstimmung mit den Wehrleitern, ein Logistik- und Transportkonzept erarbeitet worden ist. Aktuell wird der Förderantrag vorbereitet. Das Konzept beinhaltet geländegängige Fahrzeuge, Wechselladerfahrzeuge und dazu passende Abrollbehälter mit den entsprechenden technischen Ausstattungen. „Das muss angesichts der Erkenntnisse aus der Katastrophe sicherlich noch einmal überarbeitet und angepasst werden“, gibt Holger Kurz zu bedenken.
Mit der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler ist ebenfalls eine Schulung für den Verwaltungsstab der Kreisverwaltung in Planung. Diese war bereits für das vergangene Jahr vorgesehen, wurde aber wegen Corona verschoben und soll jetzt im November stattfinden.
„Die Gefahrenabwehr ist ein sehr komplexes Thema“, sagt Landrat Achim Hallerbach und verspricht: „Wir machen uns viele Gedanken, wie wir den Katastrophenschutz stärken können und werden aus den Erfahrungen, die im Ahrtal gemacht werden mussten, lernen.“
BKI Kurz gibt hierzu weiterhin zu bedenken, dass das System des Katastrophenschutzes im Land und im Kreis rein ehrenamtlich aufgebaut ist. Auch die Technische Einsatzleitung bildet hier keine Ausnahme. Dieses System lebt davon, dass sich genug Bürgerinnen und Bürger finden, die bereit sind in der Feuerwehr, den Hilfsorganisationen DLRG, DRK, Malteser oder dem THW an dieser Aufgabe mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen.
Im weiteren Prozess müssen im Rahmen von Hochwasserpartnerschaften an der Wied, Holzbach oder auch im Sayntal die Situationen nochmals überprüft werden. „In den vergangenen Jahren wurde schon einiges gemacht, aber wir brauchen zusätzliche Messstellen mit Pegeleinrichtungen. Wir brauchen eine stärkere Sensibilisierung der Anwohner zum Thema Eigenschutz. Wir brauchen neue Maßstäbe zum Bauen an Flüssen und Bächen. Wir brauchen mehr Prävention, eine absolute Sicherheit kann niemand geben“, unterstreichen Landrat Hallerbach und BKI Kurz. Am 16. September wird es eine erste Auftaktveranstaltung mit dem Land geben, bei der es mit Akteuren und den Bürgermeistern von Anliegergemeinden der Bereiche Wied und Holzbach um die künftige Vorsorgeplanung geht. Hier werden Landrat und BKI auch ihre Erwartungen an die Hochwasser- und Starkregenvorsorge an Wied und Holzbach formulieren.