Schon zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr ist die Fieberambulanz im Neuwieder Gewerbegebiet eröffnet worden. Hier werden nicht nur Index-Patienten (also Verbreiter des Virus) und Kontaktpersonen getestet, sondern auch Menschen, die aus verschiedenen anderen Gründen einen PCR-Test benötigen. Das können Reiserückkehrer sein oder Menschen, deren Hausarzt nicht selbst testet. Im Gegensatz zu anderen Landkreisen fordern wir in Neuwied von den sogenannten „engen Kontaktpersonen“ einen PCR-Test. Die Erfahrung hat gezeigt: Viele von ihnen sind positiv. Das bedeutet auch, dass sie in die Statistik mit einfließen, in anderen Landkreisen, die diese Personengruppe bei einem symptomlosen Verlauf „nur“ in Quarantäne setzen, ist das aber nicht der Fall. In einigen Landkreisen ohne eigene Fieberambulanz werden darüber hinaus deutlich mehr PoC-Schnelltests statt PCR-Tests durchgeführt. Positive PoC-Tests fließen nicht in die Statistik mit ein, sondern müssen durch einen PCR-Test bestätigt werden. Allerdings ist die Genauigkeit der Schnelltests geringer, weshalb einige Fälle unentdeckt bleiben.
Testet der Kreis Neuwied also einfach zu viel? „Nein“, sagt Landrat Achim Hallerbach mit aller Entschiedenheit. Tests sind ein wichtiger Bestandteil bei der Bekämpfung der Pandemie. „Unser Ziel ist es, Infektionen frühzeitig zu erkennen und Infektionsketten zu unterbrechen“, macht er deutlich. „Bei mehr Tests gibt es zwar auch mehr positive Ergebnisse und vielleicht eine unschönere Statistik, viel schlimmer wäre es jedoch, wenn das Virus unentdeckt streuen kann. Damit würden wir eine potenziell höhere Sterblichkeit in Kauf nehmen und eine Überlastung unseres Gesundheitssystems riskieren“, sagt er.
Das Gesundheitsamt, das in den vergangenen Monaten wie das Impfzentrum und die Fieberambulanz personell deutlich verstärkt worden ist, verfolgt nach wie vor alle Kontakte von Infizierten nach. „Dabei sind wir aber natürlich auch auf die entsprechenden Meldungen der Betroffenen angewiesen“, sagt Hallerbach und bedauert, dass die notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kontaktpersonen nicht immer vorhanden ist.
Nicht einfacher wird die Nachverfolgung auch durch die Tatsache, dass die Infektionslage diffus ist. Fachleute sprechen von einem ubiquitären Infektionsgeschehen, also einer allgemeinen Verbreitung. Wie weithin bekannt, ist das Virus durch seine Mutation schneller und aggressiver geworden. Es befällt deutlich jüngere Menschen als noch in der ersten Pandemiewelle. Übrigens: In der Fieberambulanz des Kreises Neuwied werden alle positiven Tests auf das Vorliegen einer Mutationsvariante überprüft. Damit gehen wir deutlich über die Fünf-Prozent-Vorgabe des Landes hinaus.
In der ersten Welle konnten zahlreiche Hotspots ausgemacht werden. Hauptaufgabe war es, die besonders vulnerablen Gruppen – allen voran in den Senioreneinrichtungen – zu schützen. Durch Impfungen und Kontaktbeschränkungen ist das mittlerweile glücklicherweise weitestgehend geglückt.
Allerdings musste das Gesundheitsamt des Kreises in jüngster Zeit zunehmend Infektionen in Kitas feststellen. Seitdem die Kitas auf Anordnung der Kreisverwaltung wieder in den eingeschränkten Regelbetrieb („bei dringendem Bedarf“) zurückgegangen sind, hat sich diese Lage etwas beruhigt. Von der aktuellen Umstellung auf einen Notbetrieb wird eine zusätzliche Verbesserung erhofft.
Die Spielräume der Kreisverwaltung sind bei den Auflagen allerdings sehr gering. Maßnahmen können nur abgestimmt mit dem Land umgesetzt werden, in vielen Bereichen – wie zum Beispiel beim Erlass einer Ausgangssperre – hat der Kreis überhaupt keine eigene Handhabe, sondern muss Vorgaben von Land und Bund umsetzen.
Darüber hinaus ist staatliches Eingreifen in den privaten Bereich praktisch kaum möglich. Da hier allerdings die meisten Infektionen geschehen, kann Landrat Achim Hallerbach nur an die Bürger appellieren, die Hygienemaßnahmen zu beachten und Kontakte möglichst weitgehend zu vermeiden. „Auch wenn es schwer fällt nach der langen Zeit: Bitte halten Sie sich an die Regel. Die Dauer der Pandemie und der damit einhergehenden notwendigen Beschränkungen hängt ganz stark von der Disziplin der Menschen ab. Wir brauchen jetzt Vernunft und Eigenverantwortung“, sagt er.