Kreis Neuwied. Der Kreis Neuwied macht allen Kindertagesstätten ein freiwilliges Testangebot. Träger, die das annehmen möchten, können dieses mindestens einmal in der Woche von geschultem Personal der Neuwieder Arztpraxis Dr. Marcus Ackermann in ihren Räumen durchführen lassen. Vorgenommen werden dabei POC-Test mit Abstrich im Rachenraum. „Wir haben uns kundig gemacht. Diese Tests bieten die höchste Sicherheit. Der sogenannte Lolli-Test ist nicht die Lösung“, sagt Landrat Achim Hallerbach, der darauf hinweist, dass nicht einmal alle überhaupt eine entsprechende Zulassung haben. „Da muss man auch auf das Kleingedruckte im Beipackzettel achten. Oft darf der Test bei Kindern nur von mindestens 18-jährigen Personen angewendet werden“, berichtet er. Darüber hinaus gebe es bei der Selbsttestung oft Anwenderfehler. „Wir wollen aber hohe Qualität. Deshalb waren wir uns auch in der Bürgermeisterrunde schnell einig, dass wir von den Lolli-Tests die Finger lassen“, macht der Landrat deutlich.
Wie Dr. Marcus Ackermann ergänzt, ist der Schnelltest mit Abstrich im Rachenraum – bei Kindern nehmen seine Mitarbeiter ihn durch den Mund ab – auch für sehr junge Menschen keine Belastung oder gar Stigmatisierung. „Das ist in zwei Sekunden erledigt und interessiert die Kinder überhaupt nicht. Das tut auch einem Zweijährigen nicht weh. Bei den Grundschülern machen wir es schon länger und haben festgestellt, dass sie damit überhaupt kein Problem haben. Das ist eher eine Sache besorgter Eltern“, sagt er und berichtet, dass an den Grundschulen die Zahl der Kinder, die sich freiwillig testen lassen, mit der Zeit immer mehr angewachsen ist – wenn sie bei anderen gesehen haben, dass es kein Problem ist. Auch die Erzieherinnen und Erzieher, die im Rahmen von verpflichtenden Tests die Prozedur kennengelernt haben, würden die Testungen in den Kitas durch Fachpersonal in übergroßer Mehrheit befürworten. Und selbst die Kritik von Eltern sei nach einmal gemachten Erfahrungen extrem zurückgegangen. „Natürlich gibt es welche, die grundsätzlich gegen alle Maßnahmen der Pandemiebekämpfung sind. Da ändern wir nichts. Aber ansonsten ist der Widerstand praktisch auf null zurückgegangen“, sagt er.
Kerstin Neckel ergänzt als Kita-Referatsleiterin des Kreisjugendamtes, dass die Reaktionen auf das Angebot bislang „sehr gemischt“ seien. „Das reicht tatsächlich von starken Bedenken bis zur ungeduldigen Frage, wann es endlich losgeht“, sagt sie und fügt an, dass manche Kita-Leitungen daher auch noch den Austausch mit ihren Elternvertretern suchen, ehe sie entscheiden, ob sie es annehmen. In manchen Orten gebe es außerdem bereits Testzentren mit entsprechenden Angeboten.
Wie Ackermann ausführt, sind seine Leute bereits an 15 Kitas im Kreisgebiet tätig und haben dort zum Start ca. 600 Kinder in der ersten Woche getestet. In der (kurzen) vergangenen Woche haben sich weitere 16 Kitas gemeldet, dass sie das Angebot wahrnehmen möchten. Darüber hinaus lassen fünf Kitas ihre Kinder an benachbarten Grundschulen mittesten. „Für den Anfang ist das eine gute Resonanz. Wir rechnen aber noch mit deutlich mehr Zusagen. Teilweise muss die Entscheidung sicherlich noch mit weiteren Gremien abgestimmt werden“, ist Ackermann überzeugt.
Einig ist er sich mit Landrat Achim Hallerbach, dass die Qualität der Tests stimmen muss. Und da ist der Mediziner eindeutig: Beim Lolli-Test gibt es neben Anwendungsfehlern einfach eine geringere Sicherheit, man muss abstreichen, wo sich die meisten Viren aufhalten: im Rachenraum. „Wer Fieber und Husten hat, bei dem finden sie die Keime überall. Da funktioniert auch der Lolli-Test. Aber Kinder mit Symptomen müssen ja ohnehin zu Hause bleiben“, führt er aus und weist zudem darauf hin, dass die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen mittlerweile deutlich überdurchschnittlich sind.
„Testen und Impfen sind die beiden zentralen Mittel im Kampf gegen die Pandemie. Und Kinder sind in der Regel noch nicht geimpft. Daher ist das Testen hier noch wichtiger“, unterstreicht Landrat Achim Hallerbach, der trotzdem noch einmal klarstellt, dass es sich an den Kitas um ein freiwilliges Angebot handelt.
Dr. Ackermann: Kreis Neuwied bei Pandemiebekämpfung gut aufgestellt
„Die Bereitschaft zu helfen ist im Kreis Neuwied riesig. Unsere Bevölkerung ist einfach klasse. Das hätte ich vor der Pandemie in diesem Ausmaß nicht erwartet“, zeigt sich Dr. Marcus Ackermann begeistert. Er berichtet von einer überwältigenden Hilfsbereitschaft, gerade was die Abnahme von Tests betrifft. Er habe eine „hervorragende Infrastruktur“ an von ihm persönlich geschultem Testpersonal aufbauen können, sagt er und beziffert, dass sich in seiner Datenbank derzeit 700 Menschen, davon 420 ausgebildete medizinische Fachkräfte befinden. „Allein fünf pensionierte Chefärzte sind darunter, die einfach helfen wollen“, sagt er und erzählt, dass diese Menschen auch überhaupt kein Geld dafür wollten. „Wir haben sie trotzdem offiziell eingestellt, um sauber zu sein, ihnen aber gesagt, dass sie das Geld ja dann spenden können - was sie auch machen wollen“, sagt er. Ackermann berichtet weiter, dass er auch für die Testungen an Kindergärten wieder Personal in der Elternschaft akquirieren möchte. „Das hat an den Schulen schon hervorragend geklappt.“
Dem Lob an die Bevölkerung kann sich Landrat Achim Hallerbach nur anschließen. „Auch wir haben einen großen Pool an Hilfskräften, die uns in den vergangenen 15 Monaten durch die Pandemie getragen haben. Und mit der Maßgabe: ,Testen, Testen, Testen‘ haben wir es ja schließlich auch geschafft, die Inzidenzen herunter zu bekommen. Da können wir uns nur herzlich bei den Menschen bedanken“, freut er sich.