„Unsere Landwirte sind wichtige Partner für die Natur-, Kultur- und Landschaftspflege in unserer Mittelgebirgsregion, und dies vielfach in Zusammenarbeit mit unseren Naturschutzverbänden. Unsere Landwirte sind und bleiben elementare Lebensmittelproduzenten. Ohne Landwirtschaft kein Getreide, kein Brot, keine Kartoffeln, keine Milch, kein Fleisch und kein Gemüse. Dies sollte uns Verbrauchern bewusst sein und mehr Wertschätzung für Lebensmittel bringen,“ betont Landrat Achim Hallerbach bereits bei seinen Begrüßungsworten.
Auf
dem zertifizierten Öko-Betrieb von Thomas Wilsberg in Asbach-Oberplag,
begrüßte Landrat Achim Hallerbach die Bundeslandwirtschaftsministerin
Julia Klöckner. „Nee, is dad schee“, entfuhr es spontan der Ministerin
beim Betreten der Gerätehalle, die mit viel Liebe zum Detail
standesgemäß mit Mais, Traktoren, Stroh und Schafsgehege dekoriert war.
Der
Hof ist „Partnerbetrieb Naturschutz Rheinland-Pfalz“ und hat gemeinsam
mit dem Beweidungsprojekt des Arbeitskreises Natur- und Umweltschutz
Asbacher Land (ANUAL) die Auszeichnung UN-Dekade Biologische Vielfalt
erhalten. Bundesministerin Julia Klöckner zeigte sich begeistert vom
„Best Practice“-Projekt, bei dem Landschaftspflege durch Nutzung
erfolgt. Bereits 1995 machte sich der Verein ANUAL auf den Weg, die
Artenvielfalt am Wahler Bach zunächst zu dokumentieren und schließlich
zu schützen. Mit Unterstützung der Stiftung Natur und Umwelt
Rheinland-Pfalz erwarb der Verein 1998 die ersten Parzellen. Der
Grundstein für eine nachhaltige Form der Bewirtschaftung auf Flächen mit
einer hohen Biodiversität war gelegt. Vereinseigene Flächen,
Ausgleichsflächen des Kreises und der Ortsgemeinde bilden heute eine
Weidefläche von über acht Hektar, die mit einer Herde Schottischer
Hochlandrinder extensiv von Landwirt Thomas Wilsberg bewirtschaftet
werden. Seine Begeisterung für das Projekt stand Thomas Wilsberg bei der
Vorstellung seines Betriebes dann auch buchstäblich im Gesicht
geschrieben. Nicht weniger begeistert erläuterte Dr. Paul Bergweiler,
Vorstandsmitglied des ANUAL anschließend die Intention und Entwicklung
des Beweidungsprojektes.
Dass
Vernetzung nicht nur für Biotope sinnvoll ist, machte Jörg Hohenadl von
der Wirtschaftsförderung des Landkreises bei der Vorstellung des
Projektes „Naturgenuss-Gastgeber“ deutlich.14 gastronomische Betriebe,
die sich im Projekt engagieren, haben sich zum Ziel gesetzt, mehr
Regionalität auf die Teller und ins Glas der Gäste zu bringen. Einen
kleinen Vorgeschmack konnten die Anwesenden gleich auf dem Hof testen.
Corona-gerecht wurde „Fingerfood“ aus regionalen Produkten, die in der
Küche des Landgasthofes “Zum alten Fritz“ aus Asbach-Löhe produziert
wurden, serviert.
In der anschließenden Gesprächsrunde zu den Themen „Junge Landwirte gestalten ihre Zukunft“ und „Landschaftspflege durch Nutzung“, moderiert vom Geschäftsführer des Kreisbauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau e.V., Markus Mille, wurden die Grenzen der Regionalvermarktung und des Erhalts der regionalen Wertschöpfungskette deutlich. Die Bundesministerin räumte ein, dass durch Verfehlungen der Vergangenheit überhaupt erst die Affäre um den Schlachtkonzern Tönnies möglich geworden sei. Regionale Verarbeitungsbetriebe seien durch ordnungs- und hygienerechtliche Restriktionen zur Betriebsaufgabe gezwungen worden. Oberbehörden verwiesen auf die lebensmittelrechtliche Zuständigkeit der Kreisverwaltung, die ohne eigenes Ermessen die restriktiven Vorgaben der Gesetzgeber von EU, Bund und Land umzusetzen hätten.
Jan Schumacher, Student der Agrarwissenschaften im Masterstudiengang, hat sich in seiner Projektarbeit dem Thema der Zukunftsperspektiven landwirtschaftlicher Betriebe im Kreis Neuwied angenommen. Zudem ist er mit seinem Kartoffelanbau und der Vermarktung an Gastronomie und Endverbrauer in die regionale Vermarktung eingestiegen. Man darf auf seine Analyse gespannt sein.
Deutlich wurde auch die Problematik, Betriebe für die Schlachtung und Weiterverarbeitung der Tiere in der Region zu finden.
Dominik Ehrenstein, Milchviehhalter und Ackerbauer begrüßt die Vielzahl an alternativen Betriebskonzepten zur (regionalen) Nahrungsproduktion und zur Landschaftspflege und verwies auf den globalen Zusammenhang, der zwischen Flächenverbrauch, Tierhaltung, Nutzung der Gentechnologie und Konsumverhalten besteht.
Bundesministerin Julia Klöckner beklagte, dass die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe drastisch schmilzt, dass auch der Sachverständigenrat für Ernährung diese Entwicklung sieht und einen Eingriff in die Ernährungsgewohnheiten der Bundesbürger vorschlägt. Eine Strategie, die von ihr als Bundesministerin nur bedingt verfolgt werde. Ihre Strategie basiere auf dem verantwortlichen Handeln der Konsumenten. Um dies zu erreichen, habe ihr Ministerium das Tierwohl-Label eingeführt und setze auf den Nutriment Score statt Verbote, diese seien angebracht, wenn es um den Zuckergehalt in Kindertees oder Cerealien handele; auch einer Erhöhung der Steuern erteilte sie eine Absage.
Die Quintessenz der Diskussionsrunde fasste Landrat Achim Hallerbach wie folgt zusammen: „Ehemals gegensätzlich diskutierte Themen müssen, und wie die Praxis zeigt, können gemeinsam gedacht und besprochen werden. Landwirtschaft und Ökologie sind keine widersprüchlichen Themen. Das Beweidungsprojekt hier zeigt, es geht und es ginge noch besser, wenn nun im Bereich der Vermarktung und des Vertriebs ebenfalls neue Wege beschritten werden.“
Wie
dieser neue Weg aussehen kann, verdeutlichte Wendelin Abresch, der aus
einer Digitalen Machbarkeitsstudie zur Regionalvermarktung nun eine
Strategie für die Region entwickelt und die Lücke zwischen Hofladen und
den großen Internetanbietern schließen will.
Die Digitalisierung stand auch beim zweiten besuchten Hof im Vordergrund. Nach Milchmixgetränken von einem Tochterunternehmen der genossenschaftlichen Molkerei, der die meisten Milchviehbetriebe im Kreis Neuwied angeschlossen sind, stellt Matthias Quiring seinen Milchviehbetrieb mit 140 Milchkühen vor. Statt Fremdarbeitskräfte melken zwei Roboter die Kühe. Dabei werden alle relevanten Daten zu Tiergesundheit, Milchleistung und -qualität erfasst. Aber auch hier steht bei aller Technik das Tierwohl an vorderster Stelle. Mit einer Sprühvernebelung wird bei hohen Hitzetemperaturen dem Wohlsein der Tiere nachgeholfen und die Fütterung erfolgt gentechnikfrei - ohne Sojaschrot.
Im Ackerbau und in der Gülleausbringung setzt Matthias Quiring ebenfalls auf digitale Lösungen - das sogenannte Smart Farming. Dank GPS werden fünf Prozent bei Dünger und Pflanzenschutzmitteln eingespart. Die Antwort auf die bei den Bauern umstrittene Dünge-Verordnung ist ein verordnungskonformes Güllefass. Eine 120.000 Euro-Investition, mit einer Landesförderung von 20 Prozent. Aber auch hier zeigt sich ein klassisches Paradox der Politik: Betriebe, die erst mit dem Inkrafttreten der Verordnung ein Güllefass kauften erhielten eine 40%ige Erstattung.
„Wer früher investiert hat, schaut in die berühmte Röhre“, fasste Matthias Quiring die Investitionssituation zusammen.
Mit
Schleppschuhen ausgerüstet, wird die Gülle nun unter die Grasnarbe
eingeritzt. Die Nährstoffe werden dort platziert wo die Wurzeln sie
aufnehmen. Zudem werden die Geruchsimmissionen deutlich reduziert. Dank
GPS und Smart Farming wird so eine optimale Versorgung der Pflanzen
gewährleistet und das Grundwasser vor Nitrateintrag geschützt –
Digitalisierung in der Landwirtschaft.