Das Interesse war groß, der Saal voll. Zur Fortbildungsveranstaltung, zu der das HTZ gemeinsam mit der Psychiatriekoordination der Neuwieder Kreisverwaltung eingeladen hatte, erschienen über 80 Gäste aus dem Gesundheitswesen – aus Praxen aller Art, Gesundheitsämtern, Jugendämtern, dem HTZ und den Kooperationspartnern der Einrichtung. Für „Störungen im Spracherwerb – Wie beurteile ich das Sprechverstehen junger Kinder?“, so der genaue Titel, füllte sich sogar die Warteliste.
„Mein 5-Jähriger mag das nicht, wenn ich ihm etwas vorlese“: Aussagen wie diese lassen Dr. Patricia Sandrieser aufhorchen. Denn manches Mal steckt hinter dem vermeintlichen Unwillen des Kindes das Unvermögen, die gesprochene Sprache zu verstehen. Um beurteilen zu können, wann welche Meilensteine erreicht sein sollten, skizzierte die Leiterin der Logopädischen Praxis am Marienhof Koblenz die Entwicklung des Sprachverstehens. So bildet sich etwa vom fünften bis siebten Lebensjahr das Verständnis für Passivsätze heraus. Das heißt: Hören jüngere Kinder vor dem Erreichen dieser Stufe Sätze wie „Der Vater wird von der Mutter geküsst“, ist für sie das erstgenannte Nomen das Subjekt, also würde im Beispiel der Vater als der derjenige verstanden, der küsst.
Erkenntnisse dieser Art ermöglichen das Testen, auf welchem Stand sich das Sprachverstehen des Kindes befindet, so Sandrieser. Ihr Rat für alle Anwesenden: Nach ihrer Erfahrung ist es oft hilfreich, zunächst standardisierte Tests zurate zu ziehen, bevor in einem nächsten Schritt eine z.B. spielerisch gestaltete Untersuchungssituation nach Zollinger hergestellt werden kann.
„Den Kindern schon so früh wie möglich Hilfe angedeihen lassen, das ist auch unser Thema“, erläuterte Achim Hallerbach, 1. Kreisbeigeordneter, zuständig für das Gesundheitsamt, die gemeindenahe Psychiatrie und auch das Kreisjugendamt. Er berichtete aus dem Arbeitskreis Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie den Neuwieder Gesundheitskonferenzen, in denen die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung im Landkreis im Mittepunkt steht. Das Thema berührt auch die Arbeit des Kreisjugendamtes an mehreren Stellen: so wurden im Jahr 2016 in 66 Fällen Frühfördermaßnahmen bewilligt, die bei der Überwindung zahlreicher Entwicklungsrückstände helfen sollen. Die sozialpädagogischen Fachkräfte des Kreisjugendamtes haben überdies im Jahre 2016 insgesamt 499 Familien selbst betreut und beraten, in 270 Fällen wurden zudem Sozialpädagogische Familienhilfen eingeleitet, die insgesamt über 418 Kinder betreut haben.
Dr. Ingrid Degen, ärztliche Leiterin des HTZ, freute sich über den „sehr hilfreichen, mit vielen Beispielen versehenen Beitrag“. Am Ende gab es für die Referentin viel wohl verdienten Applaus.