Reichte beispielsweise einer
Landwirtsfamilie in den 50er Jahren noch der Verkauf von zwei Kilogramm Roggen
zum Kauf eines Roggenbrotes, so muss der Landwirt heute 20 Kilogramm Roggen
erzeugen und verkaufen, um dasselbe Brot zu erwerben,“ erläutert der
1.Kreisbeigeordnete und zuständiger Dezernent für die Untere
Landwirtschaftsbehörde, Achim Hallerbach. In der Folge hat sich der
Produktionsumfang eines durchschnittlichen landwirtschaftlichen
Haupterwerbsbetriebes alle zehn Jahre verdoppeln müssen, um die Lebenshaltung
einer Landwirtsfamilie zu sichern.
Dieser sehr kapitalintensive
Wachstumsprozess hat bislang die verlässliche und preisgünstige Versorgung der
Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln garantiert. Im Jahre 1950 hat ein
Landwirt zehn Menschen ernährt; heute sind es 150 Menschen. Allerdings stoßen
die Wachstumsraten der Vergangenheit derzeit an ihre Grenzen. Achim Hallerbach:
„Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat sich ständig verringert und auch die
zunehmende Kritik an großen Tierbeständen wirkt sich in restriktiveren
Rechtsnormen aus. Dabei haben sich die Lebensverhältnisse der
landwirtschaftlichen Nutztiere allen Unkenrufen zum Trotz gegenüber früher deutlich
verbessert.“ Milchkühe wurden vorwiegend in dunklen, schlecht belüfteten
Anbindeställen gehalten. Im Vergleich dazu leben die Tiere im modernen Stall
zwar in größeren Herden, aber der Lebens- und
Platzkomfort hat sich bei einer Verdoppelung der Milchleistung deutlich
verbessert.
Auch die Ausbringungstechniken von Dünger- und Pflanzenschutzmitteln garantieren eine effizientere und auch umweltschonendere Applikation, als es noch vor Jahrzehnten üblich gewesen ist. Aber wie kann die Landwirtschaft darüber hinaus auf die gestiegenen Umwelt- und Tierschutzansprüche in der Bevölkerung reagieren und dennoch wettbewerbsfähig bleiben? Achim Hallerbach sieht einen Lösungsansatz. „Wir müssen Bürger, Landwirte, Tier- und Naturschützer an einen gemeinsamen Tisch bringen!“ Ansätze gibt es schon zu genüge. So sind einige Betriebe vom Umweltministerium bereits als „Partnerbetrieb Naturschutz“ anerkannt und arbeiten mit Naturschutzverbänden zum Wohle der Umwelt zusammen.
Zudem ist die Landwirtschaft im Kreis
Neuwied eher extensiv und naturnah strukturiert. Um das Bild von den heimischen
Bauern – ihren Chancen und Risiken – nach innen und nach außen darzustellen,
hat Hallerbach „LANDreisen“ initiiert, eine Veranstaltungsreihe für Landwirte
und Verbraucher rund um das Thema Landwirtschaft. „Vielleicht muss sich die
Landwirtschaft wandeln, aber sie muss nach wie vor von gut ausgebildeten und
verantwortungsbewussten Bauern ausgeübt werden. Zudem sollten wir stets daran
denken, dass unsere Bauern unser tägliches Brot produzieren müssen!“ mahnt
Hallerbach mit dem Hinweis auf den „Weltbauerntag“, der bei der Weltausstellung
EXPO 2000 in Hannover erstmals ausgerichtet wurde. Seit 2002 wird dieser
weltweite Gedenktag von UNO und UNESCO ausgerufen.
Mit Sorge betrachtet Achim Hallerbach
den rapiden Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion in den letzten
Jahrzehnten. So hat sich die Landwirtschaftsfläche durch Bebauung und
Infrastrukturmaßnahmen seit dem Jahr 2000 um ca. 1.000 Hektar verringert. Seit
1978 reduzierte sich die Schweinehaltung von knapp 14.000 Tieren auf rund 2.000
gehaltene Schweine. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der gehaltenen Rinder
nahezu halbiert. Bei den Milchkühen fällt der Rückgang noch drastischer aus.
„Wer soll noch unsere Wiesen und Weiden pflegen, die einer biologischen
Vielfalt an Flora und Fauna den notwendigen Lebensraum bieten, wenn immer
weniger Rinder gehalten werden?“ so Hallerbach. „Diese Entwicklung macht mir
Angst – als Bürger und als Politiker!“
Nach einer Auswertung der landwirtschaftlichen Produktionszahlen deckt die Erzeugung der Landwirtschaft im Kreis Neuwied nur 20 Prozent des Bedarfs seiner Einwohner bei Kartoffeln, acht Prozent bei Fleisch und 30 Prozent bei Eiern. Lediglich bei Getreide wird eine Bedarfsdeckung erreicht. Bei Milch sind es immerhin noch knapp 90 Prozent. „Aber gerade bei der Milchproduktion zeigt der Trend deutlich nach unten, wenn man sich die Alters- und Betriebsstruktur der Milchviehhalter näher betrachtet. Zudem fehlt es im Kreis Neuwied an Verarbeitungsstätten für Milch und Brotgetreide. In einer Versorgungskrise könnte sich unser Landkreis nicht aus eigener Kraft ernähren,“ erläutert Thomas Ecker von der Unteren Landwirtschaftsbehörde der Kreisverwaltung Neuwied die Bedarfsdeckungsanalyse.