Im Rahmen der traditionellen Lichtmeßtagung in Fernthal konnte Dominik Ehrenstein, Vorsitzender des Vereins Landwirtschaftlicher Fachbildung Neuwied e.V., zahlreiche Gäste aus Kommunalpolitik, Agrarverwaltung und dem landwirtschaftlichen Berufsstand begrüßen.
Der 1.Kreisbeigeordnete des Landkreises Neuwied Achim Hallerbach griff in seinem Grußwort auch gleich die Sorgen und Nöte der versammelten Landwirte auf. „Drastische Preiseinbrüche bei den Erzeugerpreisen von Milch, Getreide und Ölsaaten haben in 2015 zu extrem hohen Einkommensverlusten bei den Landwirten geführt“, stellte Hallerbach fest. Zu dieser wirtschaftlichen Krisensituation gesellt sich auch noch die Frage nach der Akzeptanz des bäuerlichen Wirkens. Hallerbach: „Jede gesellschaftliche Gruppe ob nun Naturschutzverbände, Verbraucherschutzorganisationen oder Berufsverbände, sie alle haben in den letzten Jahren eine eigene Perspektive auf und Bewertung über der Landwirtschaft entwickelt. Und noch nie haben sich diese Perspektiven und Bewertungen so stark voneinander unterschieden wie heute.“ Zusätzlich wird das Selbstverständnis des landwirtschaftlichen Wirtschaftens durch die sinkende Akzeptanz der landwirtschaftlichen Produktionsweise - insbesondere bei der Tierproduktion - in Frage gestellt. „Dies war der Hintergrund für die Entwicklung der Veranstaltungsreihe LANDreisen. Hier möchten wir ein Forum zum Austausch zwischen Landwirten, Verbrauchern und kommunalen Entscheidern zu verschiedenen landwirtschaftlichen Themen bieten“, erklärte Achim Hallerbach.
Nach der Begrüßung referierte Dr. Günter Lißmann, Dezernatsleiter Landwirtschaft im Regierungspräsidium Kassel zum Thema „Landwirtschaftliche Unternehmen im Wachstumszwang“. Als Ursache zeigte Dr. Lißmann den enormen Anpassungsdruck auf, dem die Landwirtschaft in unserer dynamischen Wirtschaft ausgesetzt ist. Reichte beispielsweise einer Landwirtsfamilie in den 50er Jahren noch der Verkauf von zwei Kilogramm Roggen zum Kauf eines Roggenbrotes, so muss der Landwirt heute 20 Kilogramm Roggen erzeugen und verkaufen, um dasselbe Brot zu erwerben. „In der Folge hat sich der Produktionsumfang eines durchschnittlichen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebes alle zehn Jahre verdoppeln müssen, um die Lebenshaltung einer Landwirtsfamilie zu sichern“, so Dr. Lißmann. Dieser sehr kapitalintensive Wachstumsprozess hat bislang die verlässliche und preisgünstige Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Lebensmitteln garantiert. Im Jahre 1950 ernährte ein Landwirt zehn Menschen, heute sind es 150 Menschen. Allerdings stoßen die Wachstumsraten der Vergangenheit derzeit an ihre Grenzen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche hat sich ständig verringert und auch die zunehmende Kritik an großen Tierbeständen wirkt sich in restriktiveren Rechtsnormen aus. Für die landwirtschaftlichen Betriebe, die nicht mehr wachsen wollen oder können sieht Dr. Lißmann nur den Ausweg in die Nischenproduktion (Direktvermarktung bzw. Ökologische Wirtschaftsweise) oder den geordneten Rückzug aus der Landwirtschaft. Betriebe, die für den globalen Markt produzieren – und dies ist bei sinkendem Absatz auf dem EU-Markt für die Mehrzahl der Betriebe dringend geboten – sind auf einen Strukturwandel angewiesen, der ihnen die Nutzung des technischen Fortschrittes gewährleistet. „Die Landwirtschaft ist wegen des Bevölkerungswachstums die Branche des 21. Jahrhunderts“, weckte Dr. Lißmann bei den anwesenden Landwirten Hoffnung auf bessere Zeiten.
Das Nachmittagsprogramm wurde wie gewohnt von den Mitarbeitern des Gesundheits- und Veterinäramtes der Kreisverwaltung Neuwied gestaltet. So informierte Christiane Erhardt von der Unteren Landwirtschaftsbehörde über die anstehende elektronische Antragstellung in der Agrarförderung. Die Amtstierärztinnen des Veterinäramtes Ilonka Degenhardt und Kerstin Rutenbeck berichteten über die neuesten Änderungen in den tierseuchenrechtlichen Vorschriften und über die gesetzlichen Vorgaben der Antibiotika-Verordnung.