Kreis Neuwied. „Wer vermeintliche Tabuzonen nicht durchbricht und kein Licht ins Dunkel bringt, macht sich mitschuldig an möglichen Vergehen“, stellt Landrat Achim Hallerbach auch mit Blick auf das Thema „Häusliche Gewalt“ unmissverständlich fest. Damit liegt er auf einer Linie mit den Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Neuwied: „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Zahl zumeist weiblicher Opfer im Bereich der häuslichen Gewalt immer weiter zunimmt“, positioniert sich Daniela Kiefer dementsprechend eindeutig. Um diesem Anspruch Nachdruck zu verleihen, gehen die Gleichstellungsbeauftragten von Landkreis und Stadt Neuwied nun in die Offensive und starten ein gemeinsames Großprojekt gegen Gewalt an Frauen.
Auch, wenn durchaus Männer von häuslicher Gewalt betroffen sein können, ist die traurige Rollenverteilung in den allermeisten Fällen klar umrissen: Frauen sind die Opfer und Männer die Täter. „Die Ursache dürfte in der gesellschaftlichen Ordnung der letzten Jahrhunderte und im patriarchalen System liegen, in dem die Männer als Familienoberhaupt das Recht hatten, über das Leben der Frauen zu bestimmen. Es geht also letztlich um Machterhalt und Machtmissbrauch“, klärt Daniela Kiefer auf
Bestätigt wird die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises durch die Bundeskriminalstatistik „Lagebild häusliche Gewalt“. Dort ist bezogen auf das Jahr 2023 eine Zunahme an Gewaltdelikten in diesem Bereich um 9,7 % verzeichnet. Ebenso erschreckend sind die Ergebnisse der Studie von PLAN international „Spannungsfeld Männlichkeit“ (2023), wonach sich mehr als 30 Prozent der befragten, jungen Männer dazu bekennen, Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen gegenüber der Partnerin anzusehen.
Die Gewalt hat weitreichende Folgen. Soziale Auswirkungen ergeben sich etwa, wenn betroffene Frauen Angststörungen entwickeln oder keine Beziehungen mehr pflegen können.
Wirtschaftliche Konsequenzen können wiederum auftreten, wenn betroffene Opfer aufgrund des Erlebten arbeitsunfähig werden, Transferleistungen des Staates benötigen oder teure Therapien erforderlich sind.
„Wer also meint, das Thema gehe ihn oder sie nichts an, der irrt“, betont Daniela Kiefer und weist zugleich darauf hin, dass das aktuelle Projekt der Gleichstellungsbeauftragten genau an dieser Stelle ansetzt.
Erklärtes Ziel der Initiatorinnen ist es, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und zu einem grundlegenden Haltungswandel in der Gesellschaft beizutragen. Dazu wird es verschiedene Maßnahmen und Aktionen in der Stadt und in allen sieben Verbandsgemeinden des Kreises Neuwied geben. Symbol des Projektes sind die orangenen Bänke gegen Gewalt – das Orange als Symbolfarbe für den Kontext Gewalt und versehen mit der Plakette des Hilfetelefons, als konkretes Angebot für Betroffene. „Die Bänke dienen zunächst wie alle Bänke zum Ausruhen und um die Umgebung zu genießen. Darüber hinaus setzen sie ein Zeichen- und regen an zum Nachdenken und sich auszutauschen“, so Susanne Christ, Gleichstellungsbeauftragte der Verbandsgemeinde Asbach.
Wichtiger Baustein des Projektes wird eine kreisweite Plakatkampagne sein. Weitere Veranstaltungen, wie beispielsweise Kino, Selbstbehauptung für Frauen und gemeinsame Projekte mit Schulen und den Jugendpflegen runden die Maßnahme ab.
Am 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen - rund um diesen Tag gibt es schon seit langem Aktionsstände im Kreisgebiet zur Aufklärung und zur Vermittlung von Hilfeangeboten.
„Wir sind gespannt auf die Resonanz.“, sagt Daniela Kiefer. Sie freut sich, dass sowohl das Ministerium des Innern und für Sport als auch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration das Projekt nicht nur begrüßen, sondern auch finanziell fördern.
„Die Gesellschaft darf nicht länger wegsehen, daher unterstütze ich ausdrücklich die Kampagne unserer Gleichstellungsbeauftragten“, stimmt auch Landrat Achim Hallerbach dem Vorhaben zu. In der Kreistagssitzung im November 2023 hatten die politischen Vertreter zuletzt unter anderem die Erhöhung der Förderbeträge für die Unterstützungsangebote für betroffene Frauen beschlossen.