Am 30. März 1818 wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen als siebtes von neun Kindern des Landwirts und Bürgermeisters Gottfried Friedrich Raiffeisen und der Schultheißentochter Amalie Christiane Susanna Maria Lanzendörfer in Hamm an der Sieg geboren.
Bereits mit17 Jahren verließ er sein Elternhaus und ging freiwillig in den Militärdienst, kam zunächst nach Köln, später in die staatliche Sayner Hütte zur Überwachung der Rüstungsproduktion.
1843 musste er wegen eines Augenleidens den Militärdienst quittieren. Er schlug die Laufbahn als Verwaltungsbeamter ein und wurde nach kurzer Ausbildung im September 1843 zum kommissarischen Kreissekretär des Kreises Mayen bestellt.
1845 ernannte ihn die königlich preußische Regierung zu Koblenz im Alter von nur 27 Jahren zum Bürgermeister der 25 Gemeinden umfassenden Amtsbürgermeisterei Weyerbusch. Im Sommer desselben Jahres heiratete er Emilie Storck, eine Apothekerstochter aus Remagen. Zeitgleich leitete er die Planung und Errichtung eines neuen Schulhauses in die Wege. Die Anschließung des ländlichen Raumes an die Rheinschiene mit dem Bau einer "Chaussee" - der "Rheinstraße" von Weyerbusch über Flammersfeld nach Neuwied - war eine weitere bedeutende Maßnahme, an der er in Planung und Realisierung maßgeblich Anteil hatte.
Im Hungerwinter 1846/47 gründete er den sogenannten "Weyerbuscher Brodverein", eine auf der Einrichtung eines Fonds zur Beschaffung von Brot, Mehl und anderen Lebensmitteln - auch Saatkartoffeln und Saatgetreide - basierende karitative Einrichtung, in die wohlhabendere Bauern einbezahlen, wodurch sich ärmere Landleute gegen Zeichnung eines schwachverzinsten Schuldscheines der Naturalien bedienen konnten.
Das damals entstandene Backhaus zeugt noch heute von der pionierhaften Idee, die den Anfang des ländlichen Genossenschaftswesens markiert.
Hier liegt auch Raiffeisens Leitsatz "Einer für alle - alle für einen" begründet, der - wie sein ganzes Handeln - aus christlicher Motivation resultiert.
Im März 1848 versetzte die Koblenzer Regierung Raiffeisen nach Flammersfeld, wo er im Dezember 1849 den "Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte" gründete, den zweiten Vorläufer der heutigen Genossenschaften.
Zuerst besorgte der "Hülfsverein" den Bauern das Vieh direkt. Dann jedoch stattete er die Bauern zinsgünstig mit Geld aus, so dass sie selbst als Käufer auftreten konnten. Raiffeisen nannte den Verein seinen ersten Darlehenskassen-Verein. Er sollte dem permanenten Geldmangel der Bauern Einhalt gebieten und die Spartätigkeit fördern helfen.
Die in den Statuten nierdergelegte Solidarhaft aller Mitglieder war revolutionär. Durch die Angliederung einer Spar- und Darlehenskasse an den "Hülfsverein" geland es Raiffeisen, die breite Masse der Landbewohner für die Genossenschaftsidee zu mobilisieren.
Auch in Flammersfeld nahm er sich schulischer Belange an, er ließ ein neues Bürgermeisterwohnhaus mit gleichzeitigem Dienstsitz errichten.
Im August 1852 wurde Raiffeisen erneut versetzt und zum Bürgermeister von Heddesdorf ernannt. Obgleich die Bürgermeisterei sozial anders strukturiert war als die rein ländliche Region um Weyerbusch und Flammersfeld, Handwerk und Industrie überwogen, gelang es ihm 1854, den "Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein" ins Leben zu rufen.
Dieser, 1864 aufgelöst und durch einen Darlehnskassen-Verein ersetzt, hat ebenfalls Vorbildcharakter.
Sein sich stetig verschlimmerndes Augenleiden führte 1865 zur vorläufigen Pensionierung. Dies bremste nicht seinen unermüdlichen Einsatz am Auf- und Ausbau der Genossenschaften.
Bereits 1866 erschien ein die Gründung von Raiffeisen-Kassen vermittelndes Werk unter dem Titel "Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Not der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter", so dass in den kommenden Jahren zahlreiche Gründungen von Darlehnskassen-Vereinen stattfanden (1870 bereits 75).
In den 1870er Jahren erfolgte unter Raiffeisens Regie die Gründung übergeordneter Vereinigungen: 1876 die "Landwirtschaftliche Central-Darlehenskasse" und 1877 der "Anwaltschaftsverein ländlicher Genossenschaften" als organisatorischer Überbau der Raiffeisen-Organisation.
Friedrich Wilhelm Raiffeisen starb am 11. März 1888 im Alter von nahezu 70 Jahren und wurde auf dem Heddesdorfer Friedhof beigesetzt.
Ein Jahr nach seinem Tod wurde im Reichstag das Reichsgesetz für Genossenschaften verabschiedet.
(Quelle: "Friedrich Wilhelm Raiffeisen und sein Umfeld" von Dr. Reinhard Lahr, Kreisverwaltung Neuwied/Museumsführer 2003)